Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
Nebel ist bereits da. Umgibt mich von allen Seiten.
So schnell ist er herangekrochen, dass ich im Handumdrehen von ihm verschluckt werde. Gefangen in einem Wirbel aus weißem, nieselfeuchtem Dunst. Ich taste, greife und fuchtele wild herum, um mir wenigstens ein kleines Sichtfenster freizuschaufeln.
Doch es ist zwecklos. Ich ertrinke in einem Meer aus weißem Dampf, das mich von allen Seiten bedrängt. Ich muss einen Schrei unterdrücken, als ich die Hände hebe und feststelle, dass ich meine eigenen Finger nicht sehen kann.
Ich greife nach meiner Taschenlampe und schalte die niedrigste Stufe ein, aber das Licht richtet bei diesem Nebel überhaupt nichts aus. Und so nähere ich mich allmählich einer Panikattacke, als ich ihn plötzlich höre.
Eine Stimme aus der Ferne, die von hinten auf mich zukommt. Ich schreie ungehemmt los und brülle seinen Namen, so laut ich kann. Es klingt dünn und schrill, aber ich will ihn wissen lassen, dass ich hier bin, dass ich mich nicht vom Fleck rühre, dass ich warte, bis er mich findet.
Erleichtert schluchze ich auf, als ich seine Finger an meinem Ärmel spüre, mit denen er mich fest packt und an sich zieht.
Ich werfe mich in seine Arme, vergrabe das Gesicht an seiner Brust und presse meine Stirn an seinen Hals, nur um zu spät zu erkennen, dass es nicht Damen ist, der mich umarmt.
NEUNUNDZWANZIG
E ver.«
Seine Wange presst sich in mein Haar, und seine Lippen suchen mein Ohr, und obwohl die Stimme definitiv männlich ist, erkenne ich sie nicht.
Der Nebel wird immer dichter und macht es mir unmöglich zu erkennen, wem die Stimme gehört. Sein Körper schmiegt sich eng an meinen, und ich kneife die Augen zu und versuche, in seinen Kopf zu spähen, komme aber nicht weit. Wer auch immer das ist, er hat gelernt, einen mächtigen Schild gegen solche Attacken aufzubauen.
Ich versuche, mich zu befreien, doch er klammert sich mit unglaublicher Kraft an mich wie ein Ertrinkender, der mich mit nach unten ziehen will.
»Vorsichtig«, sagt er und verdreht dabei den Kopf, sodass er mir seinen kalten Atem in den Nacken bläst, während sich seine Finger durch meine Kleider tasten.
Kalter Atem.
Kältere Finger.
Ungewöhnliche Kraft.
Gedanken, die ich nicht hören kann.
Es kann nur eines bedeuten.
»Marco?«, mutmaße ich, wobei ich mich frage, ob Misa auch hier ist, da ich kaum je den einen ohne die andere gesehen habe.
»Kaum.« Er schickt dem Wort ein sattes, schneidendes
Lachen hinterher, das mir angesichts der Umstände, in denen wir uns befinden, mehr als ein bisschen unangebracht erscheint.
»Wer bist du dann?«, frage ich und überlege, ob es einer der anderen Unsterblichen sein könnte, die Roman verwandelt hat, doch er beantwortet mir sogleich meine Frage.
»Rafe«, sagt er mit leiser, tiefer Stimme. »Du erinnerst dich vielleicht nicht an mich, aber wir sind uns ein-, zweimal begegnet. Allerdings immer nur beiläufig, nie offiziell.«
Ich schlucke schwer und habe keine Ahnung, ob das eine gute oder eine schlechte Neuigkeit ist. Er war mir schon immer ein bisschen ein Rätsel, aber damit halte ich mich jetzt nicht auf. Mein wichtigstes Anliegen ist, aus seiner Umklammerung freizukommen. Der Rest ergibt sich dann.
»Ich hoffe, ich habe dich nicht erschreckt.« Er lockert seinen Griff ein wenig, aber nur ein ganz klein wenig, nicht genug, um mir meine Freiheit zu gewähren. »Ich habe den Halt verloren. Bin tief in den Canyon hier gestürzt. Zu meinem Glück bin ich nicht auf dem Boden aufgeschlagen – falls es überhaupt einen Boden gibt. Stattdessen bin ich an einem Felsvorsprung hängen geblieben und habe eine halbe Ewigkeit gebraucht, um wieder hochzuklettern. Was übrigens wesentlich leichter gesagt als getan ist, wenn du rein gar nichts siehst. Ich habe so viele Jahreszeiten durchgemacht, dass ich den Überblick verloren habe. Jedenfalls wollte ich gerade schon aufgeben, ein Lager aufschlagen und warten, bis der Nebel aufklart, als ich Schritte und deine Stimme gehört habe. Tja, und das hat mir den nötigen Anreiz gegeben, schneller zu klettern und mir den Weg in die Sicherheit zu erkämpfen. Schon das Wissen, dass ich in diesem gottverlassenen Winkel nicht mehr allein bin, hat es mir leichter gemacht. Aber ich muss schon sagen, Ever,
es erstaunt mich ein bisschen, dich ganz allein hier anzutreffen. Ich hätte gewettet, dass Damen an deiner Seite ist. Mit wem hast du denn überhaupt geredet? Mit dir selbst?«
Eine Antwort auf diese Frage spare ich mir
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