Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
vor, ihm etwas zu schenken, allerdings nicht das ewige Leben, das er anstrebt, aber garantiert das Leben, das er braucht.
Das, was die Wirkung des Elixiers rückgängig macht, wahre Unsterblichkeit stiftet und ihn vor Lotos’ Schicksal bewahrt.
Ich sehe ihn an und sage achselzuckend: »Kein Problem.« Doch aus seinen hochgezogenen Brauen und dem spöttisch verzogenen Mund schließe ich, dass er ein bisschen mehr Überredungskraft braucht. »Ehrlich. Es ist keine große Sache. Ganz im Ernst.«
Er mustert mich argwöhnisch und spuckt seine nächsten Worte förmlich aus. »Ach ja, und das soll ich glauben – im Ernst?« Er schüttelt den Kopf und schnaubt. »Okay, Ever, wenn du nicht an der Frucht interessiert bist, dann verrat mir mal, warum du dich überhaupt mit dieser elenden Plackerei hier abmühst? Hm, kannst du mir das sagen? Warum tust du dir das alles an?«
»Ich bin neugierig«, antworte ich achselzuckend. »Ich habe von dem Baum gehört und mir gedacht, dass ich das selbst sehen will. Ich wusste nicht mal, dass es Zeit für die Ernte ist, bis du es gerade eben gesagt hast.« Ich lege den Kopf schief und tue so, als meinte ich es ernst. »Trotz deiner schlechten Meinung von ihm ist Damen immer extrem großzügig gewesen. Er hätte sein Elixier gern mit dir geteilt, wenn du nicht bereits Roman die Treue geschworen hättest. Und außerdem, warum sollte ich mir die Mühe mit der Frucht machen, wenn er mir so viel Elixier gibt, wie ich will?«
»Weil die Frucht für immer ist.« Rafes Augen beginnen zu lodern, bis sie zwei weiß eingerahmten, dunklen Flammenhöhlen ähneln.
»Damen und ich sind für immer.« Ich funkele ihn an und weiß in meinem Herzen, dass das wahr ist, auch wenn er nicht an meiner Seite ist und den Beweis führen kann. »Und zufälligerweise schmeckt mir das Elixier. Es schmeckt mir sogar so gut, dass ich mehrmals am Tag davon trinke. Also warum sollte ich es ersetzen wollen?«
Rafe wendet den Blick nicht von mir ab. Er denkt angestrengt nach, ehe er kopfschüttelnd den Mund aufmacht, um etwas zu sagen. Doch da löst sich jemand anders aus dem Nebel und ergreift an seiner Stelle das Wort.
DREISSIG
S ie lügt.«
Rafe wirbelt herum, um zu sehen, was ich bereits gesehen habe, um zu erkennen, was ich bereits weiß.
Marco ist hier.
Und wie immer kommt Misa mit ihren exotischen dunklen Augen, der schwarzen Stachelfrisur und den vielfach gepiercten Ohrläppchen neben ihm herangeschlichen.
Ich lasse den Lichtstrahl über sie wandern und betrachte sie genau, versuche, sie zu durchschauen und zu entscheiden, ob ihr Auftauchen schlecht für mich ist, schlecht für Rafe oder einfach prinzipiell schlecht. Nur zwei Dinge weiß ich sicher: Ganz egal, hinter wem sie auch her sind – obwohl man wahrscheinlich davon ausgehen kann, dass es um mich geht –, hegen sie keine guten Absichten. Und genau wie Rafe zeigen sie Anzeichen von Alterung.
»Sie ist auf die Frucht aus.« Misa schaut hektisch zwischen Rafe und mir hin und her. »Lotos hat sie losgeschickt. Sie überredet, danach zu suchen, genau wie sie uns schon vor Jahren zu überreden versucht hat. Aber jetzt scheint die Alte zu glauben, dass Ever die Einzige ist, der es gelingen kann. Deshalb haben Marco und ich sie verfolgt, was du vermutlich auch gerade tust.«
Rafe blinzelt, regt sich jedoch sonst nicht und verrät auch nichts. Er ist zu sehr damit beschäftigt, die Situation zu beurteilen, zu sehr auf der Hut, um eine Antwort zu geben.
»Lotos sucht schon seit Jahrhunderten nach jemandem, der diese Reise machen kann.« Misa richtet ihre Worte direkt an mich, während Marco neben ihr kichert. »Zuerst haben wir sie für verrückt gehalten – na ja, vor allem deshalb, weil sie wirklich verrückt ist. Aber jetzt, da Roman tot ist und Haven die Vorräte bis zum letzten Tropfen ausgetrunken hat und Damen – also, ich muss hier ja kein Blatt vor den Mund nehmen, oder? – so selbstsüchtig ist, hatten wir keine Wahl, als uns mit ihr anzufreunden, um mehr über diesen Baum zu erfahren und rauszukriegen, wo er ist. Sie hat uns ins Sommerland gelotst, aber weiter nichts. Hat behauptet, sie wüsste nicht, wie man den Baum findet, und gemeint, du seist die Einzige, die es kann, weil es deine Bestimmung sei, als wärst du eine Art Auserwählte oder irgend so was.« Sie sieht mich an, ein langer, schneidender Blick, der in übertriebenem Augenrollen endet, damit ich weiß, wie lächerlich sie das findet. »Wie auch immer, wir sind nur
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