Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
sich bis ganz nach oben winden, bevor das Sitzbrett wieder herunterfällt und dabei wie wild herumwirbelt und ein schreckliches schepperndes Geräusch macht. Meine Knie sind ganz wackelig, als ich die Augen zusammenkneife und ihn bedächtig mustere - und mich frage, wie der Mann, der behauptet, mich all meine Leben lang zu lieben, sich mit ihr anfreunden, die Zwillinge gefährden und mich so verraten konnte.
Doch er sieht mich ohne die leiseste Beklommenheit an. »Ever, bitte.« Er schüttelt den Kopf. »Es ist nicht so, wie du denkst.«
Ich presse die Lippen zusammen und schaue weg; wo habe ich das doch schon mal gehört? Ach ja, von Ava. Das ist ihr Lieblingsspruch, der, den sie am häufigsten wiederholt, und ich kann nicht fassen, dass er darauf hereingefallen ist.
»Sie hat es gesehen, als sie die Akasha-Chronik aufgesucht hat. Und heute, als ich keine Möglichkeit finden konnte, dir zu helfen, habe ich es bestätigt. Sie hat ihr Haus
für sie eingerichtet und versucht, den richtigen Zeitpunkt zu finden, es ihnen zu sagen. Und, na ja, auch wenn ich ihr geglaubt habe, ich war mir nicht ganz sicher, was wirklich das Beste für die beiden ist. Als ich also heute um Anleitung gebeten habe, welcher Weg am besten ist, da wurde die ganze Geschichte enthüllt. Sie sind jetzt bei ihr.«
»Das war’s dann also?« Ich sehe ihn an. »Ava ist nicht mehr böse, sie und die Zwillinge sind wieder vereint, und wir beide bekommen unser Leben zurück.« Ich versuche zu lachen, doch es kommt nicht ganz so heraus, wie ich es vorhatte.
»Wirklich? Bekommen wir unser Leben zurück?« Er neigt den Kopf zur Seite und sieht mich an.
Ich seufze und weiß, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als ihm alles zu erklären; das ist das Mindeste, was ich tun kann.
Also lasse ich mich auf meine Schaukel plumpsen und biege und drehe die Finger um die dicken Metallketten, während ich ihn ansehe und sage: »Heute … im Sommerland … Egal, wie es ausgesehen hat, es war überhaupt nicht so, wie es den Anschein hatte. Und ich wollte es dir ja erklären, wollte alles erklären, was in letzter Zeit passiert ist, aber als du so schnell weg warst, da …« Ich presse die Lippen zusammen und schaue weg.
»Und, warum erklärst du es dann nicht jetzt?«, fragt Damen und betrachtet mich eingehend. »Ich bin hier. Du hast meine volle Aufmerksamkeit.« Seine Stimme ist so steif und förmlich, dass mein ganzes Herz zerbricht. Einfach in eine Million scharfkantiger kleiner Stücke zerfällt, während er neben mir sitzt, so schön, so stark, so voller guter Absichten - und nur das Richtige tun will, ganz gleich was es ihn kostet.
Und ich möchte so gern einfach die Arme ausstrecken und ihn ganz fest an mich drücken, eine Möglichkeit finden, alles wegzuerklären. Doch ich kann nicht, das Ungeheuer in meinem Innern hat die Worte in Geiselhaft genommen, also zucke ich lediglich die Achseln und höre mich sagen: »Es … Es war total harmlos. Wirklich, ich hab’s für uns getan - egal wie es ausgesehen hat.«
Damen sieht mich mit so viel Geduld und so viel Liebe an, ich kann nicht anders, ich fühle mich schuldig. »Also, sag, hast du bekommen, weswegen du losgezogen bist?«
Ich stocke und gebe mir alle Mühe, mich unter seinem forschenden Blick nicht zu krümmen. Meine Handflächen sind schweißnass, als ich erwidere: »Du weißt doch, was für ein schlechtes Gewissen ich hatte, weil ich auf ihn losgegangen bin und so - und da dachte ich, dass er vielleicht geheilt werden könnte, wenn ich ihn ins Sommerland mitnehme und …«
»Und?« , hakt Damen nach, und die Geduld von vierhundert Jahren liegt schwer in seiner Stimme. Unwillkürlich frage ich mich, ob er das eigentlich jemals leid wird - ob er es leid wird, so tolerant zu sein, so langmütig. Besonders wenn es um mich geht.
»Und … «, versuche ich zu sagen, versuche, ihm zu erzählen, was mit mir geschieht, doch ich kann nicht. Das Ungeheuer ist wach, die dunkle Magie fasst zu, und ich halte so schon kaum durch. Ich schüttele den Kopf und zupfe nervös an den schildpattfarbenen Knöpfen meiner Strickjacke. »Gar nichts und - im Ernst, das ist alles. Ich habe einfach gehofft, es würde ihn heilen, und anscheinend war’s auch so.«
Damen überlegt, seine Miene ist gefasst und entspannt, als ob er alles vollkommen verstünde. Und die Sache ist
die, er versteht es wirklich. Er versteht weit über meine unbeholfenen Worte hinaus. Er versteht nur allzu gut.
»Und da wir schon mal da waren,
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