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Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung

Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung

Titel: Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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genug, dass auch ich meinen Biss lösen musste. Dann küsste er mich, nicht einmal, sondern ein halbes Dutzend Mal, und jeder Kuss war hitzig und süß vom Blut. Ich erwiderte die Küsse und holte immer, wenn sich unsere Lippen trennten, keuchend Atem.
    »Bianca, sag ja«, stöhnte er zwischen den Küssen, »Sag ja, bitte sag ja.«
    Ich wollte ja sagen. Ich war kurz davor.
    Doch als ich ihn ansah, stieß ich zitternd die Luft aus … und bemerkte, dass ich meinen eigenen Atem sehen konnte. Die Kälte im Zimmer traf uns beide zur gleichen Zeit, und Balthazars Augen wurden groß vor Schreck, als er begriff, was ich begriff.
    Raureif begann sich auf den Fenstern und an der Decke zu bilden, und ein blaugrünes Glühen durchströmte den Raum mit einer solchen Helligkeit, dass ich kaum etwas sehen konnte. Alles, was ich hörte, war das Knirschen von Eis. Aber das war kein Vergleich zu dem, was ich fühlte.
    Er hasst mich , hatte Raquel gesagt. Er hasst mich. Er will mir wehtun .
    Bis zu diesem Augenblick hatte ich nicht verstanden, was sie gemeint hatte.
    Der Geist war zornig, und er war meinetwegen gekommen.

19
    »Los, Bianca, komm!«
    Balthazar riss mich vom Sofa, die Finger fest um mein Handgelenk geklammert. Ich stolperte ihm hinterher, konnte aber den Blick nicht von der erschreckenden Veränderung des Raumes abwenden. Inzwischen war das Zimmer weiß von Frost und Reif und kälter als alles, was ich je zuvor gespürt hatte, kälter als selbst der Herbstball. Wir rutschten auf dem Eis, jeder Schritt unsicher, und als Balthazar ausglitt und hart gegen eine der Wände prallte, verschmierte er sie mit dem Blut von meinem Biss. Er zuckte zusammen, aber wir mussten weiter - Sekunde für Sekunde wurde alles seltsamer. Und viel gefährlicher.
    Wir erreichten die Tür, und Balthazar versuchte, sie aufzureißen, aber sie bewegte sich nicht. Das Schloss war zugefroren! Balthazar zerrte mit aller Macht daran, fluchte und warf sich schließlich mit der Schulter dagegen. Das Holz knackte, und gemeinsam traten wir immer wieder dagegen, bis die Tür an einigen Stellen nachgab. Splitter stachen mir in die Hände und Beine, als wir eine Öffnung freidrückten, aber auch während wir uns abmühten, nahm die Kälte noch zu. Eiskristalle bildeten sich in der Luft rings um uns herum, so dicht, dass es schwierig wurde zu atmen.
    Und noch immer fühlte ich es, diesen tiefen, unversöhnlichen Zorn, der um uns herumwirbelte und so real wie die Kälte war.
    Endlich brach Balthazar ganz durch die Türöffnung und landete auf der anderen Seite. »Holt Mrs. Bethany!«, brüllte er durch den Flur, während er sich umdrehte und mir die Hand entgegenstreckte, um mich ebenfalls hinauszuziehen. »Helft uns doch!«
    Ich war schon halb durch den Spalt, als ich erstarrte.
    Buchstäblich, meine ich. Mein Fuß war am Boden festgefroren. Ich versuchte, ihn loszureißen, aber während meiner vergeblichen Anstrengung wurde das Eis immer dicker und umschloss meinen Schuh. Ich beugte mich vor und probierte, aus dem Schuh herauszuschlüpfen, aber mit einem Mal fiel mir jede Bewegung immer schwerer.
    »Uns muss jemand helfen!«, schrie Balthazar noch einmal gellend. Er zerrte so heftig an meinem freien Arm, dass meine Schulter schmerzte, aber ich kam nicht durch die Öffnung. Auch als er sich stattdessen gegen mich stemmte, rückte und rührte ich mich nicht. Ich war absolut bewegungsunfähig - und saß unentrinnbar in der Falle. Im Innern fühlte ich mich, als ob ich um Hilfe rufen würde, doch ich konnte keinen Laut von mir geben.
    Im Raum für Moderne Technologien schien die Schwerkraft nicht mehr richtig zu gelten. Mein Haar wehte um mich herum, als befände ich mich unter Wasser, und die Bücher und Tische schwebten schwankend auf unsichtbaren Strömungen. Alles war in strahlendes Aquamarin getaucht. Ich merkte, dass es kalt war, aber ich selbst war ebenso kalt wie der Raum geworden, und so stach die eisige Luft nicht mehr. Balthazars Schreie schienen aus weiter Ferne zu kommen.
    Die glitzernden Schneeflocken, die den Raum ausfüllten, klumpten zusammen und nahmen Gestalt an. Zu meinem Entsetzen erkannte ich das Gesicht des Mädchens, das vor meinem Schlafzimmerfenster erschienen war. Anstatt eine Person aus Fleisch und Blut zu sein, bestand sie nur aus Schnee.
    Du musst bleiben . Es war meine eigene Stimme in meinem eigenen Kopf, die die Worte sprach, die nicht von mir stammten. So musste es sich anfühlen, wenn man den Verstand verlor, aber ich wusste,

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