Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung
Valiant.«
»Neue Erfindungen geraten häufig wieder in Vergessenheit«, sagte Ranulf wehmütig.
»Ich glaube nicht, dass den Autos ein solches Schicksal beschieden sein wird.« Ich versuchte, einfühlsam zu klingen und meine Belustigung zu verbergen. Der arme Ranulf wirkte immer so verloren in dieser Welt.
»Ich mag Pferde. Ein Pferd war ein Freund. Ein Begleiter. Dieses Gefährt hier ist einfach nur ein Stück Metall, und die Landschaft rast so schnell vorbei, dass man sie nicht genießen kann.« Ich konnte mich kaum daran erinnern, Ranulf je so viel am Stück sagen gehört zu haben.
»Ich wette, das war schöner damals.« Eine Sekunde lang dachte ich darüber nach, dass heute niemand mehr mit Pferd und Wagen fuhr und wie viele Vampire sich damals mehr zu Hause gefühlt haben mussten. Schließlich setzte ich mich aufrechter hin. »Hey, warum gründen wir eigentlich keine Amish-Kolonie?«
Das brachte Balthazar dazu, mir verwirrt den Kopf zuzuwenden. »Wie bitte?«
»Wir haben die Evernight-Akademie, und wir bauen dieses Rehazentrum in Arizona - all diese sicheren Orte, wohin sich die Vampire flüchten können, wo uns niemand behelligt und wo wir kontrollieren können, wer aufgenommen wird. Warum also nicht eine Amish-Kolonie? Oder Amish-Stadt oder wie auch immer die Amish das nennen.« Niemand schien zu verstehen, worauf ich hinauswollte. Vielleicht hatte ich es nicht richtig erklärt. »Die Leute, die sich in der modernen Zeit nicht richtig zurechtfinden, würden sich dort viel mehr zu Hause fühlen. Sie könnten mit Pferd und Wagen fahren, altmodische Laternen und Klamotten und so’n Zeugs benutzen, und niemanden würde es wundern oder stören. Kommt schon. Das ist’ne tolle Idee.«
Gegen seinen Willen ließ sich Mr. Yee nun doch ins Gespräch ziehen. »Unsere Versammlungsorte sind dazu gedacht, die Unseren in Kontakt mit der modernen Welt zu bringen, nicht sie vor ihr zu verstecken. Das Signal zum Linksabbiegen, Miss Briganti.«
»Aber es könnte ein Zwischenschritt sein. Die Leute könnten dort anfangen und später nach Evernight oder irgendwo anders hingehen.« Ich hielt das wirklich für einen hervorragenden Plan. »Und die Leute, die Heimweh nach den alten Tagen haben, könnten manchmal dorthin zu Besuch fahren.«
»Oh, wäre es dann nicht wie in diesem Film Der einzige Zeuge ?« Courtney lachte, aber es war ein viel angenehmeres Lachen als sonst. Aufgeregt trommelte sie mit den Fingern auf ihrem Lenkrad. »Ich liebe diesen Film.«
»Ich auch.« Ich hatte ihn einige Male auf einem Kabelprogramm gesehen, und genau genommen bildete er die Grundlage für mein gesamtes Wissen über die Amish. »Damals sah Harrison Ford noch heiß aus.«
»Und wie! Ich würde sofort in eine Amish-Vampir-Stadt ziehen, wenn man da Leute wie ihn treffen würde … Oh, Mist.«
Der Wagen geriet ins Schlingern und kam vom Schotterweg ab. Im Auto klammerten sich alle an ihre Sitze und schrien, während wir in den Graben rollten, der zum Glück nicht sonderlich tief war, sodass der Schaden an der Karosserie sich als nicht nennenswert erwies.
»Und das bringt uns wieder zu Punkt eins«, sagte Mr. Yee trocken. »Immer auf die Straße achten.«
»Soll das heißen, ich bin durchgefallen?« Courtney fuhr herum und funkelte mich an. »Du hast mich absichtlich abgelenkt.«
»Hab ich gar nicht.«
Courtney machte sich nicht die Mühe, meine Beteuerungen anzuhören. Sie stieß die Autotür auf, knallte sie wieder zu und stolzierte zurück zur Schule. Mr. Yee öffnete seine Tür ebenfalls und rief ihr hinterher: »Miss Briganti! Wir müssen das Auto wieder auf die Straße schieben.«
»Machen Sie es doch selbst!«, brüllte sie zurück. Ihr blonder Pferdeschwanz hüpfte im Takt zu ihren Schritten auf und ab. »Ich bin doch durchgefallen, wie Sie wissen.«
»Jetzt auf jeden Fall«, murmelte Mr. Yee.
»Ihr Stolz ist verletzt«, sagte Ranulf. »Deshalb läuft sie davon.«
»Sparen Sie sich eine Analyse von Miss Brigantis Seelenleben für Ihren Psychologieunterricht«, erwiderte Mr. Yee müde. »Wir sollten jetzt das Auto anschieben.«
Wir wechselten uns damit ab, zu lenken und das Gaspedal durchzutreten, während die anderen versuchten, das Auto aus dem Graben zu wuchten. Als wir das endlich geschafft hatten, waren wir alle bis zu den Knien voller Dreck, was für die Jungs in den Hosen ihrer Schuluniform keine große Sache war. Für mich war es unangenehmer, denn meine bloßen Beine waren schmutzig und kratzten unter dem Rock. Es
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