Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung
will mit mir zusammen sein, und für uns spielt es keine Rolle, dass wir … dass wir anders sind. Das ist uns egal, weil unsere Liebe stärker ist.«
»Das ist das erste Mal, dass ich dich etwas wirklich Dummes sagen höre. Ich hoffe, es war das letzte Mal.« Balthazar schob einen tief hängenden Kiefernast vor mir aus dem Weg, vermied es jedoch, mich direkt anzusehen. »Wenn er einfach nur ein anderer Mann wäre, irgendeiner der Typen hier in Evernight, glaubst du, das würde mich interessieren?«
»Das glaube ich, ja.« Balthazar mochte vielleicht nicht aus Eifersucht handeln, aber das bedeutete keineswegs, dass er nicht eifersüchtig war.
Er blieb stehen, und der Nebel ließ sein Profil überdeutlich erscheinen. »Okay. Egal, mit wem du zusammen wärst, es würde mir immer etwas ausmachen. Doch ich würde dir keine Steine in den Weg legen, und das würde auch keiner der anderen tun. Aber Lucas ist nicht einfach irgendein Schüler. Er ist ein Jäger vom Schwarzen Kreuz, was bedeutet, dass er es sich auf die Fahne geschrieben hat, uns zu vernichten. Man kann ihm nicht vertrauen.«
»Du kennst ihn doch gar nicht!« Ich schrie Balthazar an. Es war mir beinahe gleichgültig, ob jemand anderes uns hörte, wo doch Balthazar ohnehin alles verraten würde. Ich wollte ihm ins Gesicht schlagen oder weinen, bis er mich tröstete. Und ich wünschte, wir wären wieder im Fechtunterricht, sodass ich einen Degen in der Hand hätte. Er würde alles kaputtmachen, unwiederbringlich für alle Zeiten, und ich war so aufgebracht, dass ich nicht klar denken konnte. »Du weißt ja nicht, was er letzte Nacht getan hat.«
Balthazars Blick streifte mich, und ich wurde mir mit einem Schlag meines zerknitterten Oberteils und meiner Haare bewusst, die nach meinem Beisammensein mit Lucas völlig zerzaust waren. »Ich kann es mir vorstellen.«
»Er hat mir dabei geholfen, eine Vampirin zu retten! Zu retten , Balthazar. Die anderen Mitglieder des Schwarzen Kreuzes haben Jagd auf sie gemacht und wollten sie vernichten, aber Lucas nicht. Er hat auf mich gehört. Sie war die jüngste Vampirin, die ich je gesehen habe, kaum älter als ein Kind, bleich und nachlässig gekleidet. Sie musste einem einfach leidtun, und ich weiß, dass Lucas Mitleid mit ihr hatte!«
Balthazar blieb wie angewurzelt stehen. Langsam drehte er sich zu mir um, und sein Gesicht wirkte so verändert, dass ich ihn zuerst kaum wiedererkannt hätte. »Die jüngste, die du je gesehen hast?«
Warum war es ausgerechnet dieser Teil, der ihn überraschte? »Ja.«
»Wie hat sie ausgesehen?«
»Hm. Blondes Haar, lockig … Aber der Punkt ist doch, dass Lucas ihr geholfen hat, dem Schwarzen Kreuz zu entkommen. Er hat es jetzt begriffen, siehst du das denn nicht?«
»Sag mir, wie genau sie aussah!«
»Habe ich doch gerade.«
»Bianca«, seine Stimme war brüchig, »bitte.«
Seine Verzweiflung konnte mir nicht entgehen. Ich schloss also die Augen und versuchte, mich in allen Einzelheiten daran zu erinnern, wie es gewesen war, als ich Arm in Arm mit der Vampirin durch die Innenstadt geschlendert war. Ich beschrieb ihr junges, herzförmiges Gesicht, ihre dunklen Augen und ihr weizenblondes Haar. Balthazars Gesicht blieb reglos, bis ich das rotweinfarbene Mal an ihrem Hals erwähnte. In diesem Augenblick sackte sein Unterkiefer herab, und er flüsterte: »Sie ist zurück.«
»Warte - du kennst sie?«
Er nickte langsam und wich meinem Blick aus. Balthazar sah so niedergeschlagen und elend aus, dass meine Wut auf ihn mit einem Schlag verraucht war.
»Balthazar. Wer war das?«
»Charity.«
Der Name weckte sofort eine Erinnerung: Als Balthazar und ich letztes Jahr an Weihnachten durch den Schnee an Stechpalmenbüschen vorbeispaziert waren, hatte er mir von dem Leben erzählt, das er vor so langer Zeit verloren hatte. Und er hatte die Person erwähnt, die er am allermeisten vermisste.
»Charity? Du meinst … deine Schwester?« Ich hatte geglaubt, dass er mir bei diesem Schneespaziergang seine tiefsten Geheimnisse anvertraut hatte, aber offenbar war da etwas, das er zurückgehalten hatte. Er hatte keinerlei Andeutungen gemacht, dass seine geliebte Schwester gleichzeitig mit ihm zur Vampirin gemacht worden war. »Das war sie?«
Balthazar antwortete nicht, und ich glaubte, er konnte es einfach nicht. Und als er mit langsamen, stolpernden Schritten vor mir zurückzuweichen begann, sagte er mit heiserer Stimme: »Erzähl niemandem etwas davon.«
»In Ordnung. Ich verspreche es
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