Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung
erst wieder daran erinnern musste, wie das ging. Aber es gelang ihm, und niemand bemerkte etwas Seltsames.
Später schlug Balthazar vor, das örtliche Buchantiquariat unsicher zu machen. Als Vic und Raquel zugestimmt hatten, sagte ich beiläufig: »Ich stoße dann später zu euch, okay? Ich glaube, ich renne mal eben zum Kino und sage meinen Eltern hallo. Sie müssen dort immer Aufsicht machen.«
Raquel zuckte mit den Schultern. »Wir könnten auch alle einen Film ansehen.«
O nein, dachte ich, doch dieses Mal war Vic die Rettung. »Auf keinen Fall. Hast du gesehen, was sie zeigen? Die Nacht vor der Hochzeit . Ein wirklich frauenfeindlicher Blick auf die Ursachen von ehelicher Untreue.« «Raquel blinzelte, verwundert darüber, Vic mal nicht nur seine üblichen Sprüche klopfen zu hören. Ich hätte liebend gerne jeden Film verteidigt, in dem mein geliebter Cary Grant mitspielte, aber ich musste die Gelegenheit beim Schopfe packen. »Schon gut, ich kann schon verstehen, dass ihr den Film nicht sehen wollt. Ich schaue dann später im Buchladen vorbei.«
Und dann waren die anderen verschwunden, und ich war endlich allein. Nur für den Fall, dass sich Raquel oder Vic noch einmal zu mir umdrehen würden, machte ich mich auf den Weg zum Kino, ging jedoch an den blinkenden Lichtern auf dem Vordach vorbei und lief weiter.
Beinahe am Ziel. Beinahe am Ziel. Meine Füße hatten von den ungewohnt hohen Absätzen zu schmerzen begonnen, aber mit jedem Schritt spürte ich sie weniger statt mehr. Jede Sekunde brachte mich näher zu Lucas.
Innerhalb weniger Minuten hatte ich das Flussufer erreicht. Dort gab es keine Läden mehr, sondern nur noch ein paar Häuser. Am Fluss entlang gab es einen Fußweg, der schon vor langer Zeit befestigt worden war; die Betonplatten hatten Risse bekommen, und Unkraut streckte die Köpfe durch den Spalt. Hier und dort hatten Baumwurzeln die Platten in seltsamen Winkeln hochgedrückt, sodass man sehr vorsichtig laufen musste, vor allem, wenn man hochhackige Schuhe anhatte.
Nachdenklich schaute ich mir die Lichter der Brücke an, die sich im Wasser spiegelten. Wie kam es, dass es mir heute so viel ausgemacht hatte, über den Fluss zu fahren? Mich nun so nahe am Wasser zu befinden war völlig unproblematisch. Es sah schön aus, aber das war es dann auch schon.
Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir. Lucas . Mein Herz machte einen Satz, und ich wirbelte mit einem Lächeln auf dem Gesicht herum und sah der näher kommenden Gestalt entgegen.
All meine Hoffnungen schwanden.
»Hey«, sagte Dana, als sie sich aus den Schatten löste. »Ich weiß, dass ich nicht diejenige bin, die du sehen wolltest. Tut mir leid.«
Meine Enttäuschung legte sich und wurde von Furcht abgelöst. »Lucas ist doch nicht … Er ist doch in Ordnung, oder?«
»Alles bestens. Ihm geht’s gut. Aber seine Einheit ist gerade in Abriegelung. Sie sind von einer Bande wirklich unangenehmer Vampire in Boston eingekreist. Die nächsten Wochen steckt er fest. Ich war woanders, und nachdem sie mir von der Abriegelung erzählt hatten, bat er mich, dich zu suchen. Ich soll den Treffpunkt für euer nächstes heimliches Stelldichein abmachen, und, das muss ich dir sagen, ich fühle mich ganz verrucht deswegen.« Auch wenn ich versuchte, über Danas Witz zu lachen, wurde doch eher ein Schluchzen daraus. Sie klopfte mir unbeholfen auf die Schulter und sagte: »He, he. Du weißt doch, dass er gekommen wäre, wenn er gekonnt hätte, oder?«
»Ich weiß. Es ist nur … Ich hätte ihn heute so gerne gesehen. Aber danke, dass du mir extra Bescheid gesagt hast«, sagte ich mit flacher Stimme. Es war besser, die schlechten Nachrichten sofort zu erfahren, anstatt die ganze Nacht am Flussufer zu warten und darauf zu hoffen, dass Lucas doch noch auftauchte. Egal, wie nett Dana auch gewesen war - jetzt wollte ich, dass sie verschwand, damit ich mich hinsetzen und in Ruhe weinen konnte.
»Keine große Sache.« Mit einem Mal versiegte Danas Lächeln, und sie richtete sich kerzengerade auf. In diesem Moment, als sich ihr ganzer Körper anspannte und zur Verteidigung bereit machte, sah ich die Kämpferin in ihr. »Da kommt jemand. Bist du dir sicher, dass auf diesem Ausflug keine Vampire dabei sind?«
»Nur einer, und der ist nicht gefährlich.« Dana warf mir einen Blick zu, der unverkennbar bedeutete: »Hast du einen Knall?« Ich tat einfach so, als hätte ich nichts über freundliche Vampire gesagt. »Das ist bestimmt ein Einheimischer oder
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