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Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung

Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung

Titel: Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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einen ganzen Monat hin war, bis wir uns wiedersehen würden.
    Nein, in dieser Nacht wollte ich nicht an Lucas denken. Ich wollte an überhaupt nichts denken, sondern schloss meine Augen ganz fest und versuchte, mich so schnell es ging zum Einschlafen zu zwingen.
     
    Um die Schule herum toste der Sturm, und der Wind peitschte Äste und Zweige gen Himmel. Ich stand an dem zerborstenen Fenster und nahm mich vor den Scherben in Acht. Regentropfen spritzten auf meine Haut.
    »Willst du nicht lieber drinnen bleiben?«, fragte Charity. Sie hielt eine Fackel in der Hand, die so altmodisch aussah wie jene, die man aus frühen Horrorfilmen kennt. Die orangefarbene Flamme flackerte und kam ihrem Gesicht gefährlich nah, doch sie zuckte nicht zurück. Noch nie zuvor hatte ich eine Vampirin gesehen, die sich nicht vor Feuer fürchtete. »Ist doch warm und trocken da drin. Wir können es auch noch ein bisschen wärmer machen.«
    »Ich kann hier nicht bleiben.«
    »Nicht? Vielleicht willst du es einfach nur nicht.«
    Ich wusste nicht, ob Charity recht hatte oder falschlag. Mir war nur klar, dass ich von ihr weg und aus Evernight fort musste.
    »Bianca!« Das war Lucas’ Stimme. Ich strengte mich an, um zu erkennen, woher sie kam, und bemerkte, dass ich sie draußen im Sturm ausmachen konnte. »Bianca, beweg dich nicht!«
    »Es tut mir leid, Bianca.« Charitys puppenhafte Augen waren so arglos wie die eines Kindes. Sie streckte mir die Fackel entgegen, und ich spürte, wie die Hitze meine Haut versengte. »Aber es muss brennen.«
    Ich sprang durch das Fenster. Die Glasscherben, die aus dem hölzernen Rahmen stachen, schlitzten meine Beine und Arme auf, und ich landete hart im nassen Gras. Der Regen ging jetzt so schnell und heftig nieder, dass es sich anfühlte, als würde ich von Steinen niedergestreckt. Doch trotzdem rappelte ich mich auf und rannte, so schnell ich konnte, und meine Füße im nassen Gras waren eiskalt. Wo war Lucas?
    Dann veränderte sich die Hecke, wurde dichter und wuchs in einer Weise, die ich kannte - doch woher? Wann hatte ich dies schon einmal geschehen sehen? Es wollte mir nicht einfallen, bis ich die seltsamen, klingenförmigen roten Blüten sah, die anfingen, schwarz zu werden.
    Mein Traum … Dies war ein Traum … Es war nichts als ein Traum …
    »Lucas?«
     
    Ich setzte mich kerzengerade im Bett auf und atmete schwer. Raquel hatte sich auf die Ellenbogen gestützt und blinzelte mich verschlafen an. »Hast du irgendetwas gesagt?«
    »Ich habe geträumt.« Mein Atem ging stoßweise. »Das ist alles.«
    »Bist du dir sicher? Ganz sicher?«
    »Ja, bin ich. Ich schwöre.« Es dauerte noch ein paar weitere Sekunden, bis ich mich so weit gesammelt hatte, dass ich sie beruhigen konnte. »Wahrscheinlich mache ich mir nur Sorgen, wie ich wohl in den Prüfungen abgeschnitten habe.«
    Sie beobachtete mich mit großen Augen und dachte an ihre eigenen schrecklichen Nachterlebnisse.
    Ich unternahm noch einen Versuch. »Es hat nichts mit diesem Geist zu tun, was auch immer das für einer gewesen sein mag.«
    »Woher willst du das so genau wissen?«
    »Du wusstest es doch selber, oder?«
    »Stimmt.« Raquel stieg aus ihrem Bett, und ihre nackten Füße patschten über den Holzboden. Dann wischte sie mir einige schweißnasse Strähnen aus dem Gesicht. »Soll ich dir ein Glas Wasser holen?«
    »Das wäre nett, wirklich. Vielen Dank.«
    Kaum, dass ich allein war, dachte ich wieder an den Traum und die Blumen, die ich schon mal gesehen hatte, die Blumen, von denen ich in der Nacht geträumt hatte, ehe ich Lucas zum ersten Mal traf. Ich hatte es für einen Zufall gehalten, als wir eine Brosche fanden, die genau in der gleichen Form geschnitten war wie diese seltsamen Blüten.
    Das hatte ich die ganze Zeit über geglaubt. Aber nun fragte ich mich zum ersten Mal, ob diese Träume vielleicht noch mehr bedeuteten.
     
    Die Weihnachtsferien waren ruhiger als letztes Jahr. Seinerzeit waren etliche der Vampire in der Schule geblieben, weil sie kein Zuhause hatten, wohin sie hätten zurückkehren können. Dieses Jahr waren jedoch beinahe alle aus der Spukschule geflohen, und ich fragte mich, wie viele von ihnen im Frühjahr überhaupt wiederkommen würden.
    Noch dazu war es ein unangenehmer Winter ohne schönen Schnee. Es gab nur einen grauen Himmel, Graupel und hartes Eis, das an den meisten Tagen die Straße unüberwindbar machte. Balthazars einsame Fluchten vom Campus, um seine Schwester zu suchen, hatten erst mal ein Ende

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