Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
Bestellung aufzunehmen. Ranulf entschied sich für Eier, während Lucas und ich uns einen Blick zuwarfen. Wenn Vic auch nur die leiseste Ahnung hätte, dass sein Kumpel ein Vampir war, dann hätte er ihn auf keinen Fall eingeladen. Auf der anderen Seite war ich mir ganz sicher, dass Ranulf Vic niemals etwas antun würde, und wahrscheinlich war Lucas inzwischen zu dem gleichen Schluss gekommen.
Und so hätten wir vermutlich nichts gesagt, wenn Vic nicht mit weiteren Plänen rausgerückt wäre: »Also, auch wenn die Evernight-Akademie wohl ziemlich gegrillt wurde, werde ich im Herbst wahrscheinlich zurückgehen.«
Lucas und ich starrten ihn entgeistert an. Dann gelang es mir zu stammeln: »W…Wie bitte?« »Ja, ja, ich weiß, es ist gruselig da, und die Vorschrift, dass man keine Handys benutzen darf, ist unglaublich antik, aber ich schätze, ich habe mich inzwischen daran gewöhnt.« Vic zuckte mit den Schultern. »Außerdem habe ich noch nicht den Fecht-Unterricht besucht. Das will ich unbedingt mal ausprobieren. «
»In anderen Schulen unterrichten sie auch Fechten.« Lucas legte beide Hände auf den Tisch und beugte sich nachdrücklich vor. »Vic, ganz ehrlich, hör mir zu. Geh nicht dahin zurück.«
»Warum denn nicht?« Vic sah völlig verblüfft aus, ebenso wie Ranulf, der eigentlich längst verstanden haben müsste, worum es uns ging.
Ich konnte ihm ja schlecht die Wahrheit sagen. Ich wusste, dass Vic sie mir nicht geglaubt hätte. Aber ich wollte ihn nicht in der Nähe von Mrs. Bethany wissen.
»Es gibt wirklich gute Gründe, okay? Die Nacht des Feuers, die seltsamen Dinge, die geschehen sind …« Meine Stimme brach. Wie sollte ich ihm das alles nur erklären?
Lucas versuchte sein Glück: »Was in Evernight geschehen ist, war mehr als nur ein Feuer. Können wir es dabei belassen? «
Vic starrte uns an. »Wartet mal, dreht ihr beide etwa wegen der Sache mit den Vampiren durch?«
Ich musste mich verhört haben.
»Wie bitte?«, fragte ich hilflos und kläglich.
»Na, weil es doch hauptsächlich eine Schule für Vampire ist. Geht es euch darum?« Vic brach ab und lächelte strahlend die Kellnerin an, die gerade unsere Bestellung brachte. Ranulf, unbeeindruckt von der Unterhaltung, schlang seine Eier hinunter, als könne er tatsächlich etwas schmecken. Kaum war die Kellnerin verschwunden, fuhr Vic fort: »Ich meine, komm schon, Bianca. Du bist doch auch eine Vampirin, oder? Wenigstens zur Hälfte.«
Empört wandte ich mich an Ranulf: »Du hast es ihm erzählt ?«
»Habe ich nicht«, entgegnete Ranulf. »Ich meine, ja, ich habe ihm deine Geschichte anvertraut, als er mich danach gefragt hat. Aber ich habe nichts über die Schule gesagt. Das wusste Vic schon längst.«
»Wieso wusstest du davon?«, fragte Lucas.
»Ich habe es in meinem ersten Jahr herausgefunden. Gott, ihr beide tut ja so, als ob das schwer gewesen wäre.«
Vic zählte an seinen Fingern ab: »Die Hälfte der Schüler wusste die einfachsten Dinge nicht. Da war zum Beispiel dieser Typ, der dachte, Grey’s Anatomy wäre ein Medizinbuch und keine Fernsehserie. Und einmal war ein Mädchen ganz erstaunt, dass man Straftäter nicht mehr aufhängt. Auch dass alle in ihren Räumen essen – ganz im Verborgenen: sehr seltsam – plus die Tatsache, dass die Hälfte der Schülerschaft nie irgendwelche Essensbestellung aufgab. Tote Eichhörnchen überall. Und dann dieses gruselige Schulmotto. Da kommt schon einiges zusammen.«
Wir waren sprachlos. Schließlich fragte Lucas: »Du wusstest, dass du von Vampiren umgeben bist, und es hat dir nichts ausgemacht?«
Vic zuckte mit den Schultern. »Na und?«
Ich war so fassungslos, dass ich mich beinahe mit den Ellbogen auf meine Waffeln gestützt hätte. Doch dann schaffte ich es irgendwie, mich über den Tisch zu beugen, ohne mich mit Sirup vollzuschmieren. »Du hast dich nie gefürchtet?«
»Diese erste Nacht, nachdem ich eins und eins zusammengezählt hatte – ja, die kam mir ganz schön lang vor«, gab Vic zu. »Aber dann habe ich mir gedacht: He, ich bin jetzt schon ein paar Monate lang hier, und niemand scheint aufgefressen worden zu sein . Also war es wohl keine große Sache, oder? Die Vampire kamen mir recht harmlos vor, und ich habe mir gesagt, sie sind bestimmt froh, eine Schule zu haben, in der die Leute sie in Ruhe lassen. Das kann ich respektieren.«
»Es war eine Erleichterung für mich, meine wahre Natur nicht vor ihm verstecken zu müssen«, sagte Ranulf.
Lucas vergaß sein
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