Eviana - Ein leiser Zug von Magie
unsichtbar machte. Der große Meister Gandalf war also, wie befürchtet, nichts weiter als ein Jahrmarktzauberer.
“Ich sehe, ihr glaubt noch immer nicht so recht, dass es Zauberei wirklich gibt.” Gandalf war die skeptische Stimmung eines Teils seines Publikums nicht entgangen. Er kannte das schon aus so vielen früheren Aufführungen. Aber die würden sich noch wundern. “Jetzt kommen wir zum Höhepunkt der Vorführung. Zu einem Zauberkunststück, wie ihr es noch nie gesehen habt.”
Gandalf wählte eine junge, hübsche Zuschauerin aus und bat sie nach vorne zu kommen. Ihr Mann, der neben ihr saß, sah das nicht gerne zur Belustigung seiner Nachbarn, die ihn damit aufzogen. Es wurde nun ganz still in der Runde, denn die Menschen sahen, dass Gandalf sich veränderte. Er wirkte nun hochkonzentriert und einige meinten um ihn herum ein leichtes Glühen gesehen zu haben. Er schloss seine Augen, richtete den Zauberstab auf die junge Frau, die starr vor Angst vor ihm stand und begann vor sich hin zu murmeln. Schließlich erhob er seine Stimme und die letzten drei Worte schrie er förmlich über den Platz. Als er den Zauberstab zum Finale energisch in Richtung des Mädchens stieß, wuchs diesem ein Ziegenbart. Das Publikum war genauso sprachlos wie Eviana, die so etwas noch nie gesehen hatte. Doch erinnerte sie das Schauspiel fatal an ihren eigenen Gurkennasenzauber. Nach Sekunden des Staunens redeten nun alle durcheinander und dann brach ein unbeschreiblicher Jubel auf.
“So etwas hab ich noch nie gesehen.”
“Das ist der beste Zauberer den es gibt. Wahnsinn. Das werde ich noch meinen Kindeskindern erzählen.”
Nun waren alle bester Stimmung außer dem Mann der hübschen Frau, der der Ziegenbart wahrlich nicht gut stand. Sie selbst wusste nicht wie ihr geschah. Verwirrt schaute sie um sich.
“Jetzt darfst du morgens nicht nur dich sondern auch deine Frau rasieren”, foppten die Nachbarn ihren Ehemann.
“Du elender Zauberer, mach das wieder weg oder ich bring dich eigenhändig um.” Der Mann verstand keinen Spaß, das hatte nun auch Gandalf eingesehen. Aber es war eh nicht sein Plan, das Mädchen dauerhaft zu entstellen. Er breitete seine Arme aus und sorgte so für Ruhe.
“Es ist noch nicht zu Ende. Werdet nun Zeuge, wie ich das Mädchen von diesem Zauber wieder befreie.” Es folgte das gleiche Spektakel, nur dass dieses Mal am Ende, nach Schrei und Zauberstabwedelei, der Bart tatsächlich wieder verschwand und die junge Gattin von ihrem erleichterten Mann in die Arme geschlossen wurde. Das Publikum tobte und auch Eviana war hochzufrieden. Zumindest hatte sie den Trick des letzten Zaubers nicht direkt durchschaut. Dem würde sie auf den Grund gehen müssen.
V
Die Vorstellung war ein voller Erfolg und Meister Gandalf war bester Stimmung.
“Das war ein guter Tag. Wir haben einiges eingenommen und nachher werden wir alle zusammen ein leckeres Nachtmahl einnehmen. Ich denke, Mister Roberts wird sogar ein Stück Fleisch spendieren”, machte der Zauberer seinen Lehrlingen den Mund wässrig.
“Ich muss aber die Zauberstücke noch ein wenig nachbereiten. Und dabei möchte ich gerne nicht gestört werden. Geht am besten schon mal zum Feuer, vielleicht kann die alte Medusa eure Hilfe gebrauchen.” Cedric und Eviana machten sich auf den Weg und wieder zeigte Cedric der Neuen die kalte Schulter. Gandalf verschwand im Planwagen.
“Ich Schussel, ich sollte noch einen Topf mitbringen. Ich komme gleich nach.” Eviana kehrte schnurstracks um während Cedric sich zum Feuer begab. Sie kroch unter dem Wagen hindurch auf die Seite, an der der Wagen fast an der Mauer eines Hauses stand, hievte sich hoch, lupfte das Segeltuch, mit dem der Wagen bespannt war und starrte gebannt ins Innere. Gandalf hatte eine alte Truhe geöffnet, die mit einem Zahlenschloss gesichert gewesen war. Dorthinein hatte er bereits seinen Bart, seinen Zaubermantel und den Zauberstab gelegt und sich wieder seinen alten Flickenmantel angezogen. Jetzt war er gerade beschäftigt, den Hut in eine Schachtel zu legen. Er tat das sehr vorsichtig, als wenn er ein besonders kostbares Stück gut verstecken würde. Den Zauberstab hatte er hingegen lieblos in den Kasten gepfeffert. Endlich war er damit fertig. Jetzt zog er ein Buch aus der Kiste. Es hatte einen blauen Umschlag und sah recht neu aus. Er sah es kurz an, schüttelte den Kopf und suchte weiter. Das nächste Buch, das er aus der Kiste zog, sah völlig anders aus. Es war größer, schien
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