Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
lös’ diesen Fall, und zwar so schnell wie möglich.“ „Ich gebe mein Bestes“, rief Evianna ihr nach und winkte, als Siri in ihrem kleinen gelben Sportwagen davon fuhr.
Evianna schloss die Tür. Ihr Blick fiel auf Engus, der auf dem Sofa saß und sie aus großen Augen anstarrte. „Und jetzt zu dir, du kleiner Verräter.“
Engus schluckte schwer.
„Wieso musstest du dich diesmal bei Siri ausheulen?“
„Weil du immer gemein zu mir bist, wenn du da oben warst“, schrie Engus. „Ich bin diesmal gleich danach ins Bett gegangen!“, brüllte Evianna zurück. „Möglich! Aber jetzt bist du gemein!“, kreischte der Puk. Blitzschnell zog er seine Tarnkappe aus der Hosentasche und zog sie sich über den Kopf. Jetzt war er unsichtbar. Doch Evianna ahnte wo er steckte. Mit einem Hechtsprung landete sie auf dem Sofa, doch Engus war schneller und so begann die wilde Jagd durch das Haus, ohneRücksicht auf jedwedes Mobiliar und sie endete erst, als Evianna Engus’ Spur verlor.
Obwohl sie in all’ seinen Lieblingsverstecken nachsah, blieb Engus verschwunden. Aber so einfach gab Evianna nicht auf. Sie trampelte die Treppe hinauf, und zwar so laut, dass Engus es hören musste, egal an welchem Ort im Haus er sich aufhielt. Als sie an ihrer Schlafzimmertür vorbei kam, spürte sie, dass der Puk irgendwo dort drinnen sein musste und die seltsame Wölbung ihrer Bettdecke verriet ihr auch wo. Trotzdem ging sie weiter und stapfte die alte Holztreppe zum Dachboden hinauf. „Ich gehe in dein Zimmer, Engus!“, rief sie vergnügt.
Das Rascheln der Bettdecke und der Klang von nackten Pukfüßen auf dem Holzboden verrieten ihr, dass Engus ihr folgte.
Evianna stieß die Tür zum Dachboden auf und blieb wie vom Donner gerührt stehen. Wann war sie eigentlich das letzte Mal hier oben gewesen?
Der Dachboden bestand nur aus einem einzigen großen Raum, den Engus ganz für sich allein hatte. Doch Engus war hier oben nicht allein. Überall standen Gartenzwerge, ordentlich unter den Dachschrägen aufgereiht oder in kleinen Grüppchen zusammen. Es gab große und kleine, dicke und dünne, fleißige und faule und sie alle glänzten, als kämen sie frisch aus dem Laden.
„Hey, Engus!“, rief Evianna und bückte sich, um einen der Zwerge aufzuheben. „Wie viele sind das und was habe ich dafür bezahlt?“
Engus antwortete nicht.
„Und wieso glänzt der Rest des Hauses nicht so, wie deine GummiMänner hier?“ Evianna begutachtete den Kunststoffzwerg, der sich lächelnd auf eine Spitzhacke stützte. Auf der Unterseite stand mit wasserfestem Stift: „Gwildor“
„Du gibst den Dingern Namen?“, fragte sie ungläubig.
Engus hielt sich weiter verborgen, ließ aber den Zwerg in Eviannas Hand nicht aus den Augen.
„Also gut“, sagte Evianna laut. „Wenn du nicht freiwillig ’rauskommst, wird dein Freund Guildo hier gleich Bekanntschaft mit dem Backofen machen.“ Etwas in der Art hatte Engus befürchtet. Seufzend zog er sich die Tarnkappe vom Kopf und erschien einen Meter vor ihr. „Sein Name ist Gwildor “, sagte er und hielt die Hand auf.
Evianna lächelte undließ Gwildor in Engus’ Hand fallen, der ihn behutsam an seinen Platz zurückstellte. Danach startete sie einen Rundgang durch den niedrigen Raum. „Das ist echt unheimlich“, sagte sie in Anbetracht der unzähligen Gummiaugenpaare, die sie von überall her anstarrten.
„Ist es nicht“, motzte Engus. Er folgte ihr dicht auf und achtete darauf, dass sie keinem der Zwerge zu nahe kam.
Falls die BVb jemals ihr Haus durchsuchte, wären alle Gartenzwergdiebstähle der Nachbarschaft auf einen Schlag aufgeklärt, fürchtete Evianna. Vorausgesetzt es hatte welche gegeben. Das fiel zwar nicht in ihren Zuständigkeitsbereich, trotzdem beschloss sie, den Rechner der BVb bei nächster Gelegenheit dahingehend zu durchforsten.
Als Evianna im Büro der BVb eintraf, war Keir bereits da. Er saß an seinem Schreibtisch und starrte angestrengt auf seinen Bildschirm. Evianna atmete tief durch. Wahrscheinlich hatte er genau so viel Lust wie sie auf ihre erste Begegnung nach der Sache, die da in seinem Haus passiert war, dachte sie. Da half nur: Augen zu und durch um alles möglichst schnell hinter sich zu bringen.
„Hallo“, begrüßte Evianna ihn und ließ sich auf ihren Stuhl am Schreibtisch gegenüber fallen.
Keirs Begrüßung fiel ebenfalls knapp aus.
Evianna bemerkte die frischen Verletzungen an seinen Handknöcheln und ein paar Blessuren in seinem Gesicht doch fragen was
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