Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
immer still gewesen, wenn Erik und der kleine Bruder zu Bett gegangen waren. Sie waren nur dann aufgewacht, wenn der Vater mit dem Taxi nach Hause gekommen und so betrunken und wütend gewesen war, dass er Romulus und Remus schlug, bis sie heulten.
    Jetzt waren beide tot. Romulus und Remus waren zwei fast kohlschwarze und ungewöhnlich kräftige Dobermänner gewesen. Der Vater hatte sie so schlimm misshandelt, dass sie am Ende verrückt geworden waren. Hatte jedenfalls der Tierarzt gesagt, als sie in die Stadt gezogen waren und es sich als unmöglich herausstellte, die heulenden Hunde in der Wohnung zu halten. Romulus und Remus hatten eingeschläfert werden müssen. Wenn Erik sich richtig erinnerte, hatte er damals das einzige Mal geweint, ohne verprügelt worden zu sein. Er hatte die Hunde geliebt.
    Draußen in der reichen Vorstadt waren sie meistens mit ihren Leinen in einen zwischen zwei Eichen gespannten Stahldraht eingeklinkt gewesen. Eriks Klassenkameraden erkundigten sich immer genau danach, ehe sie sich auf das riesige, ummauerte Grundstück wagten. Alle Welt wusste, dass die beiden schwarzen Hunde lebensgefährlich waren. Einmal waren sie frei herumgelaufen, als die Müllmänner aufs Grundstück kamen; bis Erik dazwischengehen konnte, waren die beiden Männer so übel zugerichtet, dass sie Klage einreichten. Doch bei den beiden gebissenen Männern handelte es sich eben nur um Müllmänner, und der Vater heuerte zwei Anwälte aus Stockholm an, die dem Gericht erklärten, dass schließlich alles auf Privatgelände passiert sei und Müllmänner nun mal nicht in die geheiligte Privatsphäre eindringen dürften, dass man sein Eigentum doch wohl schützen dürfe in Zeiten, in denen immer häufiger eingebrochen werde. Alles endete mit einem Vergleich, einer Art Kompromiss, der darauf hinauslief, dass die Hunde eigentlich beißen durften, nur in dem Fall ein wenig zu viel gebissen hatten, weshalb der Vater die zerfetzten Kleidungsstücke und den Arzt bezahlen musste, danach aber war die Sache aus der Welt. Erik hatte ungefähr ein Jahr später einen der Müllmänner gesehen. Er hatte noch immer gehinkt.
    Der Vater hatte zu der geflochtenen Lederpeitsche mit dem Metallhaken gegriffen, wenn er die Hunde schlagen wollte. Es war unbegreiflich, wieso sie nur heulten und sich alles gefallen ließen, wenn der Vater die Peitsche nahm und zu ihnen ging. Sie waren doch nur Hunde, warum krümmten sie sich also zusammen und heulten und winselten wie ein Mensch, wenn er sie schlug? Hatte der Vater denn nie Angst, sie könnten irgendwann genug haben und sich in plötzlicher Wut auf ihn stürzen und ihn zerfleischen? Der Vater konnte Romulus und Remus fünf Minuten am Stück peitschen, in einem sorgfältig inszenierten Ritual, bei dem die Schläge immer abwechselnd erst den einen und dann den anderen Hund trafen. Wenn Erik es sah, musste er daran denken, wie es gewesen wäre, wenn er einen Zwillingsbruder gehabt hätte, bestimmt hätte es der Vater mit ihnen auch so gemacht.
    Einmal verirrte sich ein verspielter Collie auf das Grundstück. Er blieb erst einmal auf Distanz und bellte Romulus und Remus an, die geifernd und kläffend an ihren Würgehalsbändern zerrten. Erik saß auf einem Baum und sah, was dann passierte.
    Der Vater tauchte auf und schaute sich um. Dann lief er zu Romulus und Remus und ließ sie von der Kette. Was danach geschah, fand er nur noch zum Lachen. Lachend feuerte er Romulus und Remus an: »Gut so, brave Hündchen!«
    Die Jagd war kurz, Romulus und Remus hatten den Eindringling schnell in eine Ecke getrieben. Dann rissen sie den verzweifelt schreienden Collie in Fetzen. Das Ganze war in wenigen Sekunden vorbei. Erik blieb in Erinnerung, wie der Bauch des Collies aufgerissen wurde und dass die Schnauzen der anderen Hunde danach blutverschmiert waren.
    Beim Essen einige Stunden später - die Überreste des fremden Hundes waren inzwischen dessen Besitzer überreicht worden und der Vater hatte in einer Art Gentlemen’s Agreement die Hälfte des Anschaffungspreises bezahlt - wurde Erik die Schuld an dem Unglück zugeschoben. Es musste schließlich eine Erklärung dafür geben, dass Romulus und Remus frei auf dem Grundstück herumgelaufen waren, und der Köter, den sie fertig gemacht hatten, war auch noch ein teurer Ausstellungsköter gewesen.
    Ihm war nur zu klar, dass es zu einer Katastrophe führen würde, wenn er sagte, er habe gesehen, wie der Vater zu Romulus und Remus gegangen war, sich umgesehen und sie

Weitere Kostenlose Bücher