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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Kopf dröhnte es und das blaue Bild wurde für eine Sekunde unscharf. Jetzt musste alles so schnell gehen, dass der Boxer gar nicht erst mit dem Boxen anfangen konnte.
    Der Boxer hielt die Fäuste vor der Brust, er konnte nicht glauben und fürchtete doch, dass sein Schlag nicht die geringste Wirkung zeigte.
    Erik lächelte ihn durch den sich auflösenden Nebel vor seinen Augen an und änderte vorsichtig seine Haltung. Er bewegte plötzlich das rechte Bein und schien einen so wütenden Tritt in den Unterleib des Boxers führen zu wollen, dass der Boxer das einzig Vernünftige tat, als er instinktiv beide Hände senkte und sich vorbeugte, um den Tritt mit den Unterarmen aufzufangen. Mitten in dieser Bewegung traf ihn Eriks Faust sauber und perfekt auf die Nasenwurzel.
    Erik spürte, wie unter den Knöcheln seines Mittel-und seines Ringfingers das Nasenbein zerbrach. Es war ein wunderbarer Treffer und das Blut sprudelte auf vollkommene Weise über das Gesicht des Boxers, der, wie er es gelernt hatte, den Kopf hochnahm (wer niemals Boxen trainiert hat, beugt sich in dieser Situation unwillkürlich vor), und während der Schock ihm noch immer im Auge saß, hob er die Hände, um sein Gesicht vor weiteren Schlägen zu schützen.
    Worauf Erik in einem weiten Bogen von der Seite her trat und problemlos das Knie des Boxers traf, und zwar das des Beines, auf das der sich bei seiner Bewegung nach oben stützte. Der Boxer fiel hilflos zu Boden. Der Fall war erledigt.
    Erik beugte sich über ihn und sagte das, was er sich in der letzten Viertelstunde auf dem Weg vom Imbiss genau zurechtgelegt hatte: »Mehr Prügel bleiben dir erspart, weil du mir Leid tust. Sieh nur zu, dass du morgen bezahlst, dann brauchst du keine Angst mehr zu haben.«
    Und dann gingen sie - ehe der Boxer mit dem Boxen anfangen konnte.
    »Wie hast du die beiden Treffer wegstecken können?«, fragte Leuchtturm.
    »Hartes Training«, antwortete Erik, und die Clique lachte, weil sie nicht wussten, dass das mindestens die halbe Wahrheit war.
    Als er an diesem Tag nach Hause kam, sah er, dass der Vater sich ein neues Instrument zugelegt hatte. Es hing überaus deutlich in der Diele, man konnte es einfach nicht übersehen, was vermutlich auch der Sinn der Sache war. Er stellte vorsichtig seine Schultasche ab, nahm das Instrument und wiegte es sachkundig in der Hand. Es war ein Schuhlöffel, ein langer Schuhlöffel aus Chrom mit gewickeltem Lederhandgriff. Der untere Teil war ziemlich schmal, es handelte sich nämlich um ein Damenmodell. Es war leicht geschwungen und ungefähr einen halben Meter lang. Er machte versuchsweise einige zischende Schläge durch die Luft und stellte fest, dass der Schwerpunkt ziemlich weit unten lag. Wenn ihm der Vater beim Schlagen zu nahe käme, würde ein Großteil der Kraft verloren gehen. Aber das wusste der Vater natürlich auch, er hatte das Gerät schließlich ausgesucht und in der Hand gehalten und bestimmt unauffällig ein paar Probeschläge durch die Luft gemacht. Auf jeden Fall war der Schuhlöffel schlimmer als die Kleiderbürste, denn die hatte eine kleinere Treffoberfläche. Andererseits war er besser als Birkenruten, von der Hundepeitsche ganz zu schweigen.
    Er hängte den Schuhlöffel wieder zurück, ging auf sein Zimmer und las ein Comic-Heft, das er in einem Band von Brehms Tierleben versteckt hatte. Das Ausgangsgebot würde vermutlich bei fünfundzwanzig Einweihungsschlägen liegen, aber dann?
    Später, beim Essen, schlug der Vater tatsächlich fünfundzwanzig Nachtischschläge vor, Erik habe zu lange Haare (und wenn er am nächsten Tag zum Friseur ginge, würden wahrscheinlich weitere fünfundzwanzig folgen, weil er »nicht genug« abgeschnitten hätte). Dennoch war es ein recht einfaches Essen ohne sonderlich komplizierte Erörterungen über Tischmanieren, und der kleine Bruder war auch nicht in Nervstimmung; so konnte Erik sich problemlos durch alles hindurchlavieren. Der Vater schlug ihm einmal auf die Nase, weil er angeblich aufsässig aussah, das war alles. Er nahm den Schlag auf die Nase hin, und das Gesicht des Vaters hellte sich auf, weil er in Bezug auf die Schnelligkeit Fortschritte gemacht hatte, was, wie er behauptete, daran lag, dass er in jungen Jahren ein großes Fechttalent gewesen sei.
    Unten auf der Straße schepperte eine Straßenbahn vorüber. Anfangs war es ihnen schwer gefallen, sich an die Geräusche der Straßenbahnen zu gewöhnen. Draußen auf dem Land in der reichen Vorstadt war es abends

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