Evil
Hol Susan! Hol sie! Das ist mir alles scheißegal!«
Ruth schaute sie mit zusammengezogenen Augen an. Dann sah sie zu Willie. Sie zuckte die Achseln.
»Hol sie.« Ihre Stimme klang mild.
Er musste sie nicht holen.
Als er an mir vorbeiging, drehte ich mich um und sah, dass er stehen blieb, weil Susan schon da war und uns vom Flur aus beobachtete. Sie weinte.
Auch Meg hatte sie gesehen.
Und sie brach zusammen.
»Neiiiiiiiin«, heulte sie. »Bitte niiiiiicht …«
Einen Augenblick standen wir schweigend in dem warmen, schweren Dunst und hörten nur das heiße Zischen des Wassers und ihr Schluchzen. Wir wussten, was passieren würde. Wir wussten, wie es sein würde.
Dann zog Ruth den Vorhang auf.
»Heb sie rein«, sagte sie zu Donny. »Und pass auf dich auf.«
Ich sah, wie sie sie in die Wanne verfrachteten und Ruth den Duschkopf ansetzte, um den kochend heißen Strahl langsam über ihre Beine und Schenkel, den Bauch und schließlich hinauf über die Brüste und die empfindlichen Nippel zu führen, sah, wie sie verzweifelt mit den Armen an ihren Fesseln riss, und sah, dass sie überall, wo das Wasser sie traf, plötzlich rot wurde, rot, die Farbe des Schmerzes – und dann konnte ich die fürchterlichen Schreie nicht mehr ertragen.
Ich lief davon.
TEIL FÜNF
34
Doch nur das eine Mal.
Dann nicht mehr.
Nach diesem Tag war ich wie ein Süchtiger, und meine Droge war zu wissen. Zu wissen, was möglich war. Zu wissen, wie weit das Ganze gehen konnte. Bis wohin sie sich vorwagen würden.
Es waren immer sie. Ich stand außerhalb, zumindest fühlte ich mich so. Einerseits gegenüber Meg und Susan und andererseits gegenüber den Chandlers. Ich hatte nie direkt mitgemacht. Ich hatte zugeschaut, aber sie nicht berührt. Und das war alles. Solange ich diese Haltung bewahrte, konnte ich mir einreden, dass ich zwar nicht völlig frei von Schuld war, aber auch nicht wirklich verantwortlich.
Es war wie im Kino. Sicher, manchmal war der Film unheimlich – man hatte Angst, ob der Held oder die Heldin wirklich überleben würden. Aber auch nicht mehr. Nur ein Film. Wenn er vorbei war, stand man leicht verschreckt und aufgeregt auf, trat hinaus in die Nacht und ließ alles hinter sich.
Und manchmal war es mehr wie diese Filme, die später in den sechziger Jahren kamen – ausländische Filme meistens –, wo man das Gefühl hatte, dass man in eine undurchdringliche Welt faszinierender, hypnotischer Illusionen eingetaucht war, deren endlos übereinander gehäufte Bedeutungsschichten letztlich nur auf ein völliges Fehlen von Bedeutung verwiesen, Filme, in denen sich Schauspieler mit Pappkartongesichtern völlig emotionslos durch surreale Alptraumlandschaften treiben ließen.
So wie ich.
Natürlich sahen wir uns diese Kopffilme nicht nur an, wir schrieben auch das Drehbuch und führten Regie. Und so war es wohl unvermeidlich, dass wir irgendwann die Besetzungsliste erweiterten.
Und es war wohl auch unvermeidlich, dass Eddie Crocker als Erster zur Vorsprechprobe kam.
Es war ein strahlend sonniger Vormittag gegen Ende Juli, drei Wochen nach Beginn von Megs Gefangenschaft, als ich rüberging und ihn dort antraf.
In den wenigen Tagen nach der Dusche durfte sie ihre Kleidung anbehalten – sie hatte Blasen, die verheilen sollten. Und auch sonst behandelten sie sie alles in allem ganz gut. Sie gaben ihr Suppe und Sandwiches und auch Wasser, wenn sie darum bat. Ruth hatte sogar die Luftmatratze mit Bettzeug bezogen und die Zigarettenkippen vom Boden weggekehrt. Es war schwer zu sagen, ob Willie mehr über seine jüngsten Zahnschmerzen jammerte oder darüber, wie langweilig es da unten jetzt zuging.
Das änderte sich mit Eddie.
Als ich ankam, war sie immer noch angezogen – sie trug eine ausgeblichene Jeans und eine Bluse –, doch sie hatten sie wieder gefesselt und geknebelt. Sie lag mit dem Bauch auf dem Arbeitstisch, die Arme zur Seite an die Tischbeine gebunden, die Füße am Boden zusammengeschnürt.
Eddie hatte einen Turnschuh ausgezogen und prügelte damit auf ihren Arsch ein.
Dann gönnte er sich eine kleine Verschnaufpause, Willie machte sich mit einem Ledergürtel über ihren Rücken, ihre Beine und den Hintern her. Es waren harte Schläge. Vor allem von Eddie.
Woofer und Donny schauten zu.
Auch ich schaute zu. Aber nur kurz.
Es gefiel mir nicht, dass er da war.
Eddie war zu versessen darauf.
Ich erinnerte mich noch allzu gut an den Tag, als er uns mit
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