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Evolution der Leere: Roman

Evolution der Leere: Roman

Titel: Evolution der Leere: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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Zunfthäuser hatten den Feuern so weit widerstanden, um noch ihre Form zu behalten; wenngleich sie nichts weiter als leere Hüllen ohne Dächer oder Innenwände waren. Edeard ließ seine Fernsicht über sie hinwegstreichen, um sie genauer zu betrachten, und hielt sofort wieder inne. Gleich unter der dünnen Schicht aus Schmutz und Unkraut und Asche, die das ganze Dorf bedeckte, lagen die Gebeine seiner Bewohner. Sie waren überall. »Herrin!«
    »Was ist?«, fragte Dinlay.
    »Es gab keine Beerdigungen«, erklärte Edeard. »Wir sind einfach auf und davon. Es war zu ... gewaltig, um damit fertigzuwerden.«
    »Die Herrin wird es verstehen. Und die Seelen deiner Freunde ganz bestimmt auch.«
    »Mag sein.« Er ließ seinen Blick über die Verwüstung ringsum schweifen und erschauderte erneut.
    »Edeard? Spukt hier noch irgendwer rum?«
    Edeard stieß einen langen, schweren Seufzer aus. »Keine Ahnung.« Noch einmal griff er hinaus, trieb seine Fernsicht an die Grenzen ihres Wahrnehmungsvermögens, versuchte, irgendein Zeichen von einer spektralen Gestalt zu erhaschen. »Nein«, sagte er schließlich. »Hier ist niemand.«
    »Das ist doch gut, würde ich sagen.«
    »Ja.« Edeard ging auf das Gerippe des Eiformer-Zunfthauses zu.
    »Hier bist du aufgewachsen?«, fragte Dinlay interessiert, während er die neun Seiten des verfallenen Innenhofs musterte.
    »Ja.« Irgendwie hatte Edeard erwartet, eine Spur von Akeem zu finden. Doch jetzt, da er tatsächlich neben den starke Schlagseite aufweisenden Ställen und dem wackeligen Gildenhaus stand, wusste er, dass er das niemals würde. Da waren jede Menge Knochen, sogar ganze Skelette, aber es würde Tage dauern, sie sorgfältig zu untersuchen und vielleicht irgendeinen von ihnen zu identifizieren. Und wozu überhaupt? Wem versuche ich hier eigentlich Ruhe und Frieden zu geben? Würde es die Seelen der toten Dorfbewohner auch nur einen Kupferling scheren, dass er hier war? Würde Akeem wollen, dass er hier im Dreck herumwühlte, um nach den Resten seines vor langer Zeit gestorbenen Körpers zu suchen? Entweder ich beerdige sie alle oder keinen.
    Natürlich gab es noch eine andere Sache, die Edeard tun konnte. Seine Erinnerung an jene Nacht war perfekt: er und die anderen Lehrlinge oben in der Höhle, wo sie sich zu einem lustigen Abend mit Wein, Weib und Kestric getroffen hatten. Bei dem Gedanken daran wanderte sein Blick zu dem Felsabhang hinauf, fand den kleinen dunklen Spalt, durch den sie sich gezwängt hatten, um in die Kaverne zu gelangen, in der sie sich ungestört von ihren Meistern aufhalten konnten.
    Diese unschuldige Erinnerung löste eine ganze Flutwelle weiterer Erinnerungen aus. Er konnte das Dorf sehen, wie es in jenem letzten, herrlichen Sommer gewesen war. Menschen schritten die Straßen entlang, redeten und lachten. Marktstände waren aufgebaut; Bauern schafften auf großen Karren ihre Erträge herbei. Lehrlinge eilten, ihrem Tagwerk nachgehend, umher. Dorfältere in ihren feineren Sachen. Kinder tollten herum, spielten unter kreischendem Gelächter Fangen.
    Ich kann es tun. Ich kann zurückgehen zu diesem Moment. Ich kann die Banditen in jener Nacht schlagen. Kann ihnen allen wieder ein Leben geben.
    Er schüttelte den Kopf, als wollte er den Gedanken daraus vertreiben. Tränen rollten über seine Wangen. Dies hier war schlimmer als jede Versuchung, in die Ranalee ihn jemals zu führen gedacht hatte.
    Ich würde nach Makkathran fortgehen müssen, diesmal mit Akeems Empfehlungsbrief im Gepäck. Ich wäre ein Lehrling im Blauen Turm. Aber Owain wäre immer noch da, und Buate, und Tannerl und Bise und Mistress Florrel. Ich würde sie alle noch mal aus dem Weg schaffen müssen.
    »Ich kann nicht«, flüsterte er. »Ich kann das alles nicht noch einmal tun.«
    »Edeard?«, fragte Dinlay sanft. Seine Hand drückte Edeards Schulter.
    Edeard wischte sich die Tränen fort, verbannte das Bild von dem Dorf, wie es gewesen war, für immer. In dem brüchigen Türbogen zum Eiformerzunfthaus stand Akeem und schaute Edeard mit traurigem Blick an.
    Edeard kannte diesen Blick, oh wie gut er ihn kannte. Die Ermahnung, die an ihn als Lehrling wohl an die tausend Male gerichtet worden war. Enttäusche mich nicht.
    »Das werde ich nicht«, versprach er.
    Dinlay runzelte die Stirn. »Was wirst du nicht?«
    Edeard atmete tief durch, beruhigte seine tobenden Gefühle. Er starrte auf die zerstörte Türöffnung. Akeem war nicht da. Ein Lächeln berührte seine Lippen. »Sie

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