Evolution der Leere: Roman
nächsten Wahl. Nicht, dass Edeard damit rechnete, dass Trahaval abgewählt wurde. Und er hätte es sich auch nicht mal gewünscht. Das Leben war gut in Makkathran und den Provinzen, was zu einem nicht geringen Teil auf Trahaval zurückzuführen war, einen durch und durch redlichen und vertrauenswürdigen Bürgermeister, der alles zu konsolidieren verstand, was Finitan im Verlaufe seiner beispiellosen sechs Amtszeiten erreicht hatte.
Es war nur so, dass es Trahaval an jeder eigenen Vision mangelte. Daher auch seine Weigerung, die Nutztierliste zu erweitern. Die Bauern beklagten sich schon seit Jahren über Viehdiebstahl, und er war definitiv auf dem Vormarsch. Die Händler und Schlachthöfe in der Stadt waren nicht allzu wählerisch, von wem sie ihr Vieh kauften; eine moralische Flexibilität, die in allen größeren Orten und Provinzhauptstädten Nachahmung fand. Eine erweiterte Zertifikatsregelung würde helfen, vor allem, wenn man bedachte, wie schwierig es war, derartige Streitfälle zu klären. Wie immer wurde zuerst einmal Druck auf die Konstabler und Sheriffs ausgeübt, das Problem in den Griff zu bekommen und die Viehdiebe in voller Härte den Arm des Gesetzes spüren zu lassen. Solche Erwartungshaltungen waren ein typisches Zeichen der Zeit, dachte Edeard säuerlich. Vor zwanzig Jahren hatten sich die Leute wegen Banditenbanden und Raubüberfällen und darüber, wie man die Straßen vor Wegelagerern schützte, Sorgen gemacht, heute waren es vermisste Schafe.
Doch in drei Wochen kam er, wenn alles gut ging, vielleicht endlich raus aus dem Komitee des Großen Rats zur Bekämpfung organisierten Verbrechens, das Bürgermeister Finitan ins Leben gerufen hatte. Nach zweieinhalb Jahrzehnten hatte es alles realisiert, was Edeard sich jemals von ihm erhofft hatte. Den Anfang hatte das Komitee damit gemacht, die noch übrigen Straßenbandenmitglieder auszumerzen, von denen es immer noch Hunderte gab. Quietschfidel und munter waren sie rasch wieder in ihre alten Gewohnheiten zurückverfallen, als hätte es Finitans Wahl und die Massenverbannung nie gegeben. Allerdings waren sie nicht mehr organisiert, nicht so, wie sie es unter Buate und Ivarl gewesen waren, wenngleich Ranalee und ihresgleichen zweifellos noch genügend üblen Einfluss auf sie hatten. Da sie jetzt alle unabhängig von ihren alten Banden waren, hatten die Konstabler sie nur einen nach dem anderen aus dem Verkehr ziehen müssen, indem sie sie bei irgendeinem kleinkriminellen Delikt auf frischer Tat ertappten. Dann kamen sie vor den Richter, der ihnen wegen der Geringfügigkeit der Vergehen zwangsläufigerweise eine Geldstrafe anstatt Gefängnis auferlegte; wenn doch mal einer zu einer Haftstrafe verdonnert wurde, dann höchstens für einige Monate - was nichts löste. Als Alternative zu Ordnungsgeldern und Haft und Verbannung hatten Edeard und Finitan einen Resozialisierungsplan eingeführt, im Rahmen dessen Verurteilte an der Seite von Genistar-Brigaden gemeinnützige Arbeiten verrichteten. Das hatte sein müssen, in dem Punkt waren sie unbeirrbar geblieben. Irgendjemand hatte den Anfang machen müssen, den Teufelskreis von Verbrechen und Armut zu durchbrechen. Die Kosten für den Plan hatten im Rat einen heftigen politischen Kampf losgetreten, der Finitans komplette zweite Amtszeit in Anspruch genommen hatte. Gilden waren gezwungen worden, die leichtgradigeren Rückfalltäter anzulernen und als Lehrlinge auf Probe zu übernehmen, sodass ihnen wenigstens eine Art Perspektive geboten wurde. Langsam, aber sicher war die Quote von Gewaltverbrechen in der Stadt gesunken. Wodurch sie etwas Luft bekamen, um sich anderen Schauplätzen von Zerrüttung und Unzufriedenheit zu widmen.
Edeard hatte sich an die Verfolgung der verbliebenen Eine-Nation-Anhänger gemacht, was weit schwieriger gewesen war. Sie konnten nicht einfach vor Gericht gebracht und abgeurteilt werden, bevor man sie dann einer Resozialisierung unterzog. Stattdessen hatte er in anderen Bereichen ihres Lebens Druck ausgeübt. Ihre Geschäfte gingen zusehends schlechter, keine Bank lieh ihnen mehr Geld, ihr Ansehen (so wichtig für die Großen Familien) schwand dahin, als sich die hinter vorgehaltener Hand geflüsterten Gerüchte gemehrt hatten und sie aus Zirkeln und von gesellschaftlichen Ereignissen ausgeschlossen worden waren. Und dann gab es, falls diese Methoden nichts fruchteten und sie partout zu nichts zu bewegen waren, ja immer noch die gute alte Steuerfahndung, die sich ein bisschen
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