Evolution, Zivilisation und Verschwendung
sich fortpflanzen „wollen“.
Dies erfolgt nun aber beim Menschen und vielen Tierarten in erster Linie über die sexuelle Lust, denn seitdem es moderne Verhütungsmittel gibt, lassen sich Paarungs- und Reproduktionserfolg präzise voneinander trennen: Die Fortpflanzung generiert dann zu einem ökonomisch abschätzbaren Vorgang, der sich der Konkurrenz anderer Interessen des Individuums ausgesetzt sieht 150 . Und genau hier kommt nun die
ökonomische Theorie der Fertilität
ins Spiel.
Gemäß der
ökonomischen Theorie der Fertilität
lassen sich drei verschiedene
Nutzenarten
für Kinder unterscheiden (Klein 2005: 81):
Konsumnutzen
Einkommensnutzen
Sicherheitsnutzen
Diesen Nutzenarten stehen zwei
Kostenarten
gegenüber:
Opportunitätskosten
Direkte Kosten
Wägt man die verschiedenen Nutzen- und Kostenarten gegeneinander ab, dann lässt sich feststellen:
Kinder haben einen Konsumnutzen
Als Konsumnutzen von Kindern wird in erster Linie die Erfüllung emotional-expressiver Elternschaftsmotive verstanden: Man hat Kinder, weil man ihnen Liebe geben kann, durch sie Liebe erfährt und sich durch sie in die Zukunft fortpflanzen kann (Mayer 1999: 228).
Dieser Konsumnutzen lässt sich aber schon bei relativ wenigen Kindern sehr weit ausschöpfen. Einige Autoren behaupten sogar, Kinder würden in einer Ehe eher zu einer Verminderung des Glücks führen (Gilbert 2006), aber diese Diskussion würde jetzt zu weit führen.
Der Konsumnutzen von Kindern erlaubt bei Abwägung gegenüber anderen Kosten eine Einschränkung der Kinderzahl (Schimany 2004: 224; Mayer 1999: 230). Dieser sich so trocken anhörende Satz heißt nichts anderes als: Alles das, was Ihnen an Kindern Freude bereitet, können Sie eigentlich auch schon mit ein bis zwei Kindern erfahren. Wenn Sie nur über begrenzte zeitliche oder finanzielle Mittel verfügen, dann dürfte der Konsumnutzen von weiteren Kindern in der Regel nicht groß genug sein, um die auf Sie zukommenden Einschränkungen und Kosten zu rechtfertigen, denn die Kosten für die Kinder steigen fast linear mit der Kinderzahl, der Konsumnutzen dagegen meist nicht.
Die Konsequenz daraus ist: Selbst wenn Deutschland das Schlaraffenland der Kinderbetreuung wäre, und Eltern ihre Kinder quasi gleich im Nachbarhaus ganztätig und kostenfrei optimal betreuen lassen könnten, werden sie sich im Normalfall auf maximal zwei Kinder beschränken. Denn bei weiteren Kindern steigen in der Regel das Risiko einer beruflichen Einschränkung (inklusive der damit verbundenen Einkommensreduzierung) und die Familienkosten stärker als der dabei gewonnene Konsumnutzen an. Dies könnte sich auch negativ auf die bereits vorhandenen Kinder auswirken, was die meisten Eltern vermeiden möchten.
Eine weitere unmittelbare Konsequenz daraus ist: Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf können das demographische Problem zwar möglicherweise mildern, es aber nicht wirklich lösen.
Die ökonomische Fertilitätstheorie ist durchaus in der Lage, auch kulturelle Unterschiede im Fertilitätsverhalten zu erklären. Beispielsweise könnte der Konsumnutzen von Kindern in Umgebungen mit einer hohen Bedeutung und auch Präsenz von Kindern generell als höher empfunden werden als zum Beispiel in weitestgehend kinderfreien innerstädtischen Umgebungen.
Kinder haben nur einen vergleichsweise geringen Einkommensnutzen
Dazu zählen: Kindergeld, Elterngeld, Steuerersparnisse, generell Maßnahmen des Familienlastenausgleichs. In der Regel übersteigen die Kosten von Kindern deren Einkommensnutzen jedoch deutlich, weswegen der Einkommensnutzen in der Summe meist negativ ist.
Einen direkten Einkommensnutzen aus Kindern kann man in unserer Gesellschaft im Wesentlichen nur aus der professionellen Arbeit mit Kindern anderer Eltern ziehen, zum Beispiel als Tagesmutter, ErzieherIn, oder LehrerIn.
Jede Professionalisierung im Familienbereich, die sich auf fremde Kinder bezieht, birgt den immanenten Nachteil jeglicher Erwerbstätigkeit in sich, nämlich, dass sich mit einer solchen Tätigkeit umso mehr Geld verdienen lässt, je weniger eigene Kinder man selbst hat, weshalb einem eigenen Kinderwunsch dann nennenswerte Opportunitätskosten entgegenstehen. Für die Anbieter der Leistungen dürfte die berufliche Tätigkeit deshalb letztlich eher fertilitätsmindernd sein.
Die positive Wirkung von besseren Betreuungsangeboten auf die Gesamtfertilität einer Gesellschaft ist dagegen nicht erwiesen (CESifo 2005).
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