Evolution, Zivilisation und Verschwendung
Fortpflanzungspartner anhand sogenannter Fitnessindikatoren, die ihnen Aufschluss über den Grad der Anpassung eines Männchens an den Lebensraum geben (siehe Abschnitt
Fitnessindikatoren
auf Seite → ). Die beiden Darwinschen Selektionen synchronisieren sich dann von ihrer Zielrichtung her 104 , weswegen wir uns bei der weiteren Analyse einfachheitshalber auf den Grad der Anpassung an den Lebensraum beschränken können.
Dies hat zur Folge: Korreliert das
Reproduktionsinteresse
in einer Population nicht negativ mit der relativen Fitness der Individuen in Bezug auf den Lebensraum, dann werden Individuen, die besser an ihre Umgebung angepasst sind, im Mittel einen größeren Reproduktionserfolg haben (häufiger
selektiert
werden) als andere, und zwar unabhängig davon, ob sich die Spezies asexuell oder sexuell fortpflanzt. Mit anderen Worten: Das Prinzip der natürlichen Selektion setzt sich dann von ganz alleine durch.
Wir können folglich festhalten:
Genügt eine biologische Population den Prinzipien der Systemischen Evolutionstheorie, dann genügt sie auch dem Prinzip der natürlichen Selektion der Darwinschen Evolutionstheorie.
Die Triebfeder der Evolution ist also offenkundig nicht das Prinzip der natürlichen Selektion, sondern das in den Individuen (gegebenenfalls unterschiedlich stark) vorhandene Reproduktionsinteresse: Ohne Reproduktionsinteressen kann Evolution nicht stattfinden.
Anders gesagt: Beim Prinzip der natürlichen Selektion handelt es sich um kein Basisprinzip der Evolution, sondern um eine zwangsläufige Konsequenz aus dem grundsätzlicheren Prinzip der kompetenzneutralen Reproduktionsinteressen
105 .
4.10 Entschärfung des Sozialdarwinismus-Problems
Im letzten Abschnitt konnte gezeigt werden, dass sich das Prinzip der
natürlichen Selektion
für biologische Populationen aus den Grundprinzipien der
Systemischen Evolutionstheorie
ableiten lässt. Die natürliche Selektionist folglich kein eigenständiges Evolutionsprinzip, sondern nur ein Ergebnis unter bestimmten Evolutionsbedingungen. Dieses Ergebnis willkürlich einzufordern, also zum Beispiel zu verlangen, dass "
die Reichen/ Gebildeten/ Deutschen/ Weißen etc. mehr Kinder kriegen sollten als irgendwelche anderen
" ist problematisch, denn das wäre in der Tat eine Form des Sozialdarwinismus oder gar des Rassismus. Hierdurch würde versucht, den fortlaufenden gesellschaftlichen Adaptionsprozess an irgendwelchen übergeordneten (gegebenenfalls politischen) Zielen auszurichten.
Man kann aber von einer Gesellschaft erwarten, dass sie für Verhältnisse sorgt, unter denen die Grundprinzipien der Systemischen Evolutionstheorie eingehalten werden. Es geht also nicht mehr – wie beim Sozialdarwinismus – darum, ein gegebenenfalls beliebig manipulierbares Ergebnis einzufordern, sondern darum, die Grundvoraussetzungen für Evolution sicherzustellen. Und eine dieser Voraussetzungen ist:
Sozialer Erfolg darf das Reproduktionsinteresse der Bürger nicht systematisch beschädigen
. Anders gesagt: Eine Gesellschaft muss so organisiert sein, dass sozialer Erfolg nicht zwangsläufig zu einer statistisch signifikanten Senkung des Reproduktionsinteresses (Fortpflanzungsinteresses, Kinderwunsches) führt.
Bedauerlicherweise passiert aber genau das zurzeit in den Industrienationen (siehe dazu den Abschnitt
Central theoretical problem of human sociobiology
auf Seite → ).
Rückblickend wird man wohl feststellen müssen: Die ursprüngliche Darwinsche Fassung des Prinzips der natürlichen Selektion hat den Sozialdarwinismus erst hervorgebracht. Formuliert man die Evolutionstheorie aber so um, wie es bei der Systemischen Evolutionstheorie geschehen ist, machen die meisten Sozialdarwinismusdebatten überhaupt keinen Sinn mehr. Denn nun ist das Prinzip der natürlichen Selektion nur noch eine Folge aus grundsätzlicheren Evolutionsprinzipien. Die Sicherstellung dieser Grundprinzipien hat aber nichts mit Sozialdarwinismus zu tun, sondern mit ganz normalen Menschenrechten, die ohnehin einzuhalten sind. Entsprechende Forderungen scheinen sogar regelrecht ethisch geboten zu sein, denn es ist den Menschen nicht zumutbar, sich einerseits um sozialen Erfolg zu bemühen, dafür dann andererseits aber den Preis eines statistisch signifikant niedrigeren Fortpflanzungsinteresses zahlen zu müssen.
Die Familie ist das aktuell dominierende menschliche Paarungssystem. Wie die nächsten Abschnitte zeigen werden, müssen Paarungssysteme grundsätzlich für zwei Dinge
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