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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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nachdem der Heißhunger über die
Vorsicht gesiegt hatte.
    Bei Anbruch der Dunkelheit versammelten die Leute sich in einer
Felsenhöhle, die ihnen einen gewissen Schutz vor den
Räubern der Nacht bot.
    Weit folgte ihnen. Wohin hätte sie auch sonst gehen
sollen.
    Sie wusste, dass sie nicht eine Nacht allein überleben
würde. Sie spürte jetzt schon die kalten gelben Augen, die
sie verfolgten, Augen, die in dem Wissen glühten, dass sie ein
Außenseiter in dieser Gruppe war und dass sie nicht ihren
vollen Schutz genoss. Sie war ein Ziel, eine potenzielle
Beute, wie die Alten, die Jungen und Kranken.
    Die Leute verjagten sie nicht. Aber sie hießen sie auch
nicht willkommen. Doch als sie sich mit einem Stück Fleisch, das
sie aus einem verbrannten Kadaver gerissen hatte, in eine Ecke der
großen Höhle verdrückte, duldeten sie zumindest ihre
Gegenwart.
    Sie beobachtete, wie ein Mann einen Stein bearbeitete. Der Mann
war alt, Ende Vierzig und dürr. Ein Auge wurde von einer
hässlichen Narbe fast völlig verschlossen. Zwei Kinder, ein
Junge und ein Mädchen, saßen zu seinen Füßen.
Sie waren nicht viel jünger als Weit. Sie schauten Narbengesicht
bei der Arbeit zu und versuchten mit großen Steinen, die sie in
den Händchen hielten, ihn nachzuahmen. Das Mädchen
quetschte sich dabei den Daumen und quiekte vor Schmerz.
Narbengesicht nahm ihr wortlos den Stein aus der Hand und drehte ihn.
Dann zeigte er ihr, indem er ihr die Hand führte, wie man den
Stein besser hielt. Als der Junge das sah, wurde er eifersüchtig
und kniff das Mädchen, sodass sie den Stein fallen ließ.
»Ich! Ich!«
    Als die Nacht hereinbrach, widmeten viele Leute sich einer sanften
stummen Fellpflege, einer Angewohnheit, die sie aus den Wäldern
der Vorfahren mitgenommen hatten. Mütter liebkosten ihre Kinder,
und Männer und Frauen betrieben gleichermaßen Politik ohne
Worte, wobei sie Bündnisse zementierten und Hierarchien
festigten. Manchmal artete das Kämmen in geräuschvollen
Geschlechtsverkehr aus.
    Weit, die Fremde, war von alledem ausgeschlossen. Als sie jedoch
müde und erschöpft in den Schlaf sank, spürte sie den
Blick von Axt auf sich.
     
    Als sie aufwachte, war der Himmel außerhalb der Höhle
schon strahlend hell.
    Die Leute waren alle weg. Nur ein paar Fleischreste,
Kothäufchen von Kindern und Urinpfützen kündeten noch
von ihrer Anwesenheit.
    Sie stand schnell auf. Die Prellungen am Rücken und an der
Brust schienen zu einer einzigen schmerzenden Masse verschmolzen zu
sein. Aber ihr junger Körper erholte sich schon wieder von den
Strapazen, die er tags zuvor erlitten hatte, und sie hatte immerhin
einen klaren Kopf. Sie eilte ins Licht.
    Die Leute waren Richtung Norden zu einem See gezogen. Sie waren
schlanke aufrechte Schemen, deren Konturen in der flimmernden Hitze
weich gezeichnet wurden. Sie schritten zielstrebig aus. Weit rannte
ihnen hinterher.
    Das Seeufer war belebt. Weit erkannte viele Tierarten: Elefanten,
Nashörner, Pferde, Giraffen, Büffel, Hirsche, Antilopen,
Gazellen und sogar Strauße. Im Wasser tummelten sich Krokodile
und Schildkröten, und Vögel flatterten durch die Luft. Die
großen Pflanzenfresser, die sich am Wasser drängten,
hatten die Landschaft verwüstet. Von dieser morastigen Arena
schlängelten ihre breiten Trampelpfade sich in alle Richtungen.
Im Terrain um den See wuchs nichts außer ein paar robusten
Pflanzen, die von den Elefanten und Rhinozerossen verschmäht
wurden und die sich schnell zu erholen vermochten, nachdem man auf
ihnen herumgetrampelt hatte.
    Die Leute gingen zum Wasser hinunter und wählten eine Stelle
in der Nähe einer Elefantenherde aus. Jeder wusste, dass die
Räuber sich nicht an Elefanten heranwagten. Die Elefanten
ignorierten die Leute und widmeten sich ihren eigenen komplexen
Verrichtungen. Ein paar gingen ins Wasser, spritzten sich nass und
trompeteten laut. Gruppen von Kühen rumorten geheimnisvoll, und
Bullen trompeteten und rammten sich mit langen Stoßzähnen.
Diese mächtigen Tiere, die ›Landschaftsgärtner‹,
waren muskulöse Kraftpakete und zugleich von einer
majestätischen Eleganz.
    Die meisten Frauen waren an der Wasserlinie zugange. Weit sah,
dass eine das Nest einer Süßwasserschildkröte
ausgehoben hatte; die länglichen Eier wurden geknackt und der
Inhalt an Ort und Stelle verschlungen. Andere Frauen fischten die
Schalentiere ab, die im seichten Gewässer reichlich vorkamen,
und Süßwasserkrebse.
    Weit sah, dass Axt mit dem Gros der Männer ins

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