Evolution
Wasser des Sees und wurde dabei durch eine dünne Schicht
Wasserfarne an der Oberfläche getarnt. Die transparenten
Augenlider schlossen sich über gelben Augen, um die kleinen
grünen Blätter abzuhalten.
Bei diesem Deinosuchus handelte es sich auch um ein Weibchen: Es
war zwölf Meter lang, bereits sechzig Jahre alt und hatte
reichlich Nachwuchs bekommen, der sich inzwischen selbst schon zu
Jägern entwickelt hatte. Zeiten wie diese – eine
Trockenzeit, wo die Tiere sich am Wasser zusammendrängten und
vor lauter Durst die angeborene Vorsicht vergaßen – waren
ein Segen für die Krokodile. Die gebratenen Tauben flogen ihnen
sozusagen ins Maul. Aber der Deinosuchus, der es sogar mit einem
Tyrannosaurier aufzunehmen vermochte, hatte nur selten Hunger; egal,
welche Witterung herrschte.
Die Krokodile waren schon eine alte Art, die sich vor
hundertfünfzig Millionen Jahren von zweibeinigen Jägern
abgespalten hatte. Sie waren überaus erfolgreich und
beherrschten die seichten Wasserstraßen und Seen von ganz
Nordamerika und darüber hinaus: Sie gehörten zu den wenigen
Tieren der Kreidezeit, denen ein langes Leben beschieden war. Und sie
sollten auch bis ins Zeitalter der Menschen und weit darüber
hinaus überdauern.
Die feine Nase des Deinosuchus vermochte die Bewegungen des
Suchomimus-Paars am Seeufer zu spüren. Sie krümmte den
mächtigen Schwanz.
Purga sah eine Art Eruption am Seeufer. Pterosaurier und
Vögel stoben von schwimmenden Nestern auf und schrien ihren
heiseren Protest heraus. Das Suchomimus-Männchen hatte kaum
Zeit, den ausdruckslosen Kopf zu wenden, bevor der Kiefer des
Krokodils sich um ein Hinterbein schloss. Das Krokodil schwamm
zurück. Der Suchomimus stürzte in den Schlick und brach
sich das schöne Segel ab. Er wehrte sich mit lautem Trompeten
und versuchte die langen blutigen Klauen einzusetzen, aber das
Krokodil versank im Wasser und nahm das Suchomimus-Männchen
mit.
Seit dem Auftauchen des Deinosuchus war kaum eine Minute
vergangen, und die Turbulenzen der Wasseroberfläche hatten sich
auch schon wieder geglättet. Das Suchomimus-Weibchen schien
durch den plötzlichen Verlust bestürzt. Mit einem traurigen
Trompeten suchte es die Wasserlinie ab.
Das Krokodil hatte geradezu ein Gemetzel veranstaltet. Der
Uferschlick war blutgetränkt und mit Überresten des
Suchomimus-Männchens übersät – mit glitzerndem
Gedärm, Fleischfetzen und sogar mit dem leer blickenden,
abgetrennten Kopf. Nun traten die ersten Aasfresser auf den Plan. Es
war ein Rudel kleiner, leichtfüßiger Raptoren, das
hüpfend, springend und wirbelnd aus dem Unterholz brach. Sie
bekämpften sich gegenseitig wie Kickboxer, während sie nach
den saftigen Fleischbrocken schnappten.
Bald bekamen sie Gesellschaft von Pterosauriern, die mit lautem
Flügelschlag einfielen. Sie landeten und staksten mit
fledermausartig gespreizten Beinen und Armen durch den Schlick. Sie
hatten lange Schädel und schmale Schnäbel mit spitzen
Zähnen, die sie tief in die Überreste des Suchomimus
schlugen. Immer mehr Pterosaurier wurden angelockt, bis sie den
Himmel mit ihren pergamentartigen Schwingen schließlich
verdunkelten. Ein Pterosaurier hatte es allerdings auf zwei Primaten
abgesehen.
Purga sah ihn kommen. Zweiter nicht.
Er nahm ihn erst in Form eines rauschenden Luftzugs wahr, als
behaarte, lederartige Flügel den Himmel über ihm
verdunkelten. Dann fielen klauenbesetzte Füße vom Himmel
und schlossen ihn wie in einem Käfig ein.
Es war vorbei, ehe Zweiter noch wusste, wie ihm geschah. Von den
vertrauten Geräuschen des Bodens wurde er in eine Stille
emporgehoben, die nur vom Rauschen des mächtigen
Flügelschlags des Pterosauriers durchbrochen wurde, vom leisen
Sirren der gespannten Muskelstränge und dem Rauschen des Winds.
Er sah das dunkelgrüne, mit blau schimmernden Tümpeln
übersäte Land unter sich wegfallen. Und dann öffnete
der Blick sich spektakulär nach Südosten, die Richtung, aus
der der Komet kam. Der Kometenkopf hing wie eine riesige unirdische
Laterne über der Meerenge, die sich vom Golf von Mexiko ins
Landesinnere hineinzog.
Zweiter wollte nur aus diesem Käfig aus schuppigem Fleisch
freigelassen werden und wieder auf den Boden und in den Bau gelangen.
Er schlug gegen die Klauen, die ihn hielten und wollte
hineinbeißen, aber die kleinen Zähne vermochten die
Schuppen der mächtigen Kreatur nicht zu durchstoßen.
Und dann drückte der Pterosaurier, bis kleine Primaten-Rippen
knackten.
Der
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