Evolution
Australien
und Antarktika, die in den globalen Feuerstürmen verbrannt und
vom Puls der Superhitze nachverbrannt worden waren und sich nun in
der versmogten Stratosphäre sammelten. Nach dem Einschlag war
Schwefel aus dem Gestein des Meeresbodens herausgelöst und in
die Luft eingetragen worden, wo Schwefelsäure-Kristalle sich
bildeten. Die hohen, hellen sauren Wolken warfen das Sonnenlicht
zurück und verursachten eine weitere Senkung der Temperatur.
Gefolgt von Dritter und Letztes entfernte Purga sich vorsichtig
vom Eingang des Baus. Die Schnurrhaare zuckten nervös. Es war
später Nachmittag hier im kalten Herzen von Nordamerika. Wenn
der Himmel klar gewesen wäre, hätte die Sonne noch hoch
über dem Horizont gestanden. Stattdessen herrschte ein
düsteres Zwielicht, mit dem selbst Purgas große,
lichtempfindliche Augen fast überfordert waren.
Sie stolperte über nackten, versengten Fels. Nichts stimmte
mehr. Es fehlte der Geruch wachsender grüner Pflanzen, der
intensive würzige Gestank der Dinosaurier und ihres Dungs.
Stattdessen roch sie nur Asche. Die dicke grün-braune Schicht
des Kreidezeit-Lebens war völlig abgebrannt: Sogar die toten
Blätter und der Dung waren verschwunden. Übrig waren nur
noch Mineralien, verbrannte Erde und Gestein.
Und es war kalt – eine tiefe, beißende Kälte, die
sich schnell durch die abgeschmolzenen Fettschichten in die Knochen
fraß.
Sie kam zu den Überresten von etwas, was einmal ein kleiner
Farnwald gewesen war. Sie scharrte mit den Pfoten auf dem Boden, aber
er war seltsam hart – und so kalt, dass die Pfotenballen
schmerzten. Doch als sie sich die Hand ableckte, sammelten sich ein
paar Wassertropfen im Mund.
Noch vor ein paar Tagen war dieser Ort von tropischen Wäldern
und Sumpfland bedeckt gewesen. Seit Jahrmillionen hatte es hier
keinen Frost mehr gegeben. Doch nun war der Boden gefroren. Purga
kratzte auf dem Boden und stopfte sich das merkwürdige kalte
Zeug in den Mund. Langsam füllte der Mund sich mit Wasser, aber
auch mit viel Asche und Schmutz.
Sie versuchte tiefer zu graben. Sie wusste nämlich, dass es
auch nach dem größten Waldbrand noch Nahrung gab:
gehärtete Nüsse, tief vergrabene Insekten und Würmer.
Aber die Nüsse und Sporen waren unter einem fest gefrorenen
Erdboden begraben, den Purga mit den kleinen Pfoten nicht zu
durchdringen vermochte.
Sie ging weiter und ertastete mit den Schnurrhaaren einen Weg
durch die Dunkelheit.
Sie erreichte eine flache Pfütze, bei der es sich um den
Fußabdruck eines verschwundenen Ankylosauriers handelte. Die
Schnauze stieß auf eine harte Oberfläche: Sie war
beißend kalt und hart wie Stein. Die Kälte, die sich
durchs Fell fraß, war kaum auszuhalten. Sie zog sich hastig
zurück.
Genauso wenig wie mit Frost hatte sie bisher die Bekanntschaft von
Eis gemacht.
Vorsichtig betastete sie mit Schnauze und Händen das Eis. Sie
scharrte und kratzte – sie roch das Wasser, das irgendwo
verborgen war und wurde schier verrückt, weil sie ihm nicht
näher kam. Frustriert umkreiste sie die kleine Pfütze und
untersuchte sie. Schließlich kam sie zu einer Stelle, wo der
Fuß des Ankylosauriers etwas tiefer in den weichen, warmen
Lehmboden eingedrungen war. Das Eis war hier dünner, und als sie
draufdrückte, splitterte die Schicht und wölbte sich auf.
Sie sprang erschrocken zurück. Der aufragende Eissplitter
versank langsam im schwarzen Wasser. Vorsichtig kam sie wieder
näher. Und als sie diesmal die Schnauze zögerlich in die
Pfütze tauchte, fand sie Wasser: In der Kälte überzog
es sich schon wieder mit einer neuen Eisschicht, aber es war noch
flüssig. Sie sog es gierig ein und ignorierte dabei den bitteren
Geschmack des mit Asche und Staub versetzten Wassers.
Angelockt von den Schlürfgeräuschen kamen Dritter und
Letztes herbei. Sie vergrößerten das Loch, das sie ins Eis
gebrochen hatte und schlürften das verunreinigte Wasser.
Zum ersten Mal seit dem Kometeneinschlag hatte die Lage für
Purga sich wieder verbessert: nicht viel, aber immerhin.
Plötzlich berührte etwas sie an der Schulter: etwas
Leichtes und Kaltes. Winselnd drehte sie sich um. Es war ein
weißes Gespinst, das schon wieder schmolz.
Mehr Flocken fielen vom Himmel. Sie sanken unregelmäßig
und langsam herab. Wenn eine Flocke direkt neben ihr herunterkam,
sprang sie auf und schnappte sie mit dem Mund, als ob sie eine Fliege
vom Himmel holte. Bald hatte sie den Mund voll weichem Eis.
Es schneite.
Das wurde ihr dann doch zu
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