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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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Familie stark zugesetzt.
Und sie litt darunter, dass es sie in diese gähnende Leere
verschlagen hatte. Es war, als ob sie unter der magischen
Berührung Streuners für einen Moment vergaß, wo sie
war. Selbst auf Knäuel, das Kind, schien der Kontakt der beiden
Weibchen beruhigend zu wirken.
    Streuner wurde durch die einfachen, sich wiederholenden Handgriffe
des Kämmens und das soziale Band beruhigt, das sie zwischen sich
und Fleck knüpfte.
    Die Verhandlungen der Männchen waren da schon deftiger.
    Weißblut wurde mit zwei jüngeren Männchen
konfrontiert, bei denen es sich um Brüder handelte. Einer hatte
ein besonderes brillenartiges Muster aus weißem Haar um die
Augen, wodurch er ständig einen erstaunten Eindruck machte, und
der andere war ein Linkshänder, sodass die Muskeln des linken
Arms viel stärker entwickelt waren als die des rechten Arms.
    Brille und Linkshänder waren jedoch jünger, kleiner und
schwächer als Weißblut; im Wald wären sie keine
Konkurrenz für ihn gewesen. Weißblut hatte aber seine
Bundesgenossen verloren, und gemeinsam waren diese beiden ihm
vielleicht doch überlegen.
    Also warf er sich ohne zu zögern in Positur. Er stand
unsicher auf zwei Beinen, brüllte und kreischte und warf mit
Blättern. Dann drehte er sich um, spreizte die Beine und kotete
durch das feuchte Fell.
    Linkshänder wurde dadurch sofort eingeschüchtert. Er
wich zurück und schlang die Arme um sich.
    Brille ließ sich nicht so schnell den Schneid abkaufen und
beantwortete Weißbluts Darbietung ebenfalls mit einem lauten
Kreischen. Aber er war kleiner als Weißblut und ohne die
Unterstützung seines Bruders dem älteren Männchen
hoffnungslos unterlegen. Weißblut versetzte Brille Kopf- und
Nackenschläge, worauf er zurückwich und auf den Rücken
fiel. In einer Geste der Unterwerfung spreizte er Arme und Beine wie
ein kleines Kind. Es war erst zu Ende, als Weißblut durch einen
unvorsichtigen Schritt durchs Laub brach und ins kalte Wasser trat.
Jaulend zog er das Bein zurück, setzte sich erschöpft hin
und zog die Beine unter sich.
    Aber er hatte sich behauptet. Die Brüder näherten sich
ihm mit gesenkten Köpfen und in demütiger Haltung. Durch
hektisches gegenseitiges Kämmen wurde die neue Hierarchie
besiegelt, und die drei Männchen zupften sich gegenseitig
Kotreste aus dem Fell.
    Die Zweckgemeinschaften von Noth hatten Straßenbanden
geglichen und waren im Grunde nur durch brutale Gewalt und Dominanz
zusammengehalten worden, wobei die einzelnen Gruppenmitglieder sich
kaum mehr als ihres Platzes in der Hierarchie bewusst waren.
Inzwischen hatten die Vorzüge einer sozialen Lebensweise die
Primaten-Gesellschaften jedoch geradezu barock verschnörkelt und
die Entwicklung eines neuen Bewusstseins befördert.
    Das Zusammenleben in einer Gruppe erforderte eine hohe soziale
Kompetenz: Man musste wissen, wer wem gegenüber sich wie
verhielt, wie die eigenen Handlungen damit zu vereinbaren waren und
wen man wann das Fell zu kämmen hatte, um sich das Leben zu
erleichtern. Je größer die Gruppe, desto zahlreicher die
Beziehungen, die man verfolgen musste – und weil diese
Beziehungen sich ständig änderten, brauchte man eine noch
höhere Rechenkapazität, um das alles zu verarbeiten. Indem
sie zuließen, dass ihr Gruppenleben ein solches Maß an
Komplexität erreichte, nahm die Intelligenz der Primaten rasant
zu.
    Jedoch nicht bei allen Primaten.
    Während dieses ganzen Zwischenfalls hatte Dickbauch auf dem
Ast gesessen, auf dem sie es sich bequem gemacht hatte, und ihn
methodisch der Blätter beraubt. Sie interessierte sich nicht
für die Händel und die haarige Fummelei der Anthros.
    Dickbauch hatte sogar die Gesellschaft von Artgenossen gemieden.
Sie hatte die anderen Weibchen ignoriert und sich nur mit
Männchen eingelassen, wenn sie den Drang zur Paarung
verspürte – was jetzt der Fall war. Wenn Anthro-Weibchen
wie Fleck und Streuner brünstig waren, schwollen ihre Genitalien
an. Bei einem Geschöpf, das fast die ganze Zeit auf dem Hintern
saß, hätte das jedoch wenig genützt. Deshalb prangten
an Dickbauchs Brust rosige Knospen, die zu langen Warzen mit einer
unmissverständlichen Botschaft angeschwollen waren. Weil aber
kein Dickbauch-Männchen in der Nähe war, verpuffte der
Effekt nutzlos.
    Nicht dass es Dickbauch viel ausgemacht hätte. Sie wusste
genauso wenig wie die Anthros, wo sie war und was ihr
zugestoßen war, aber das kümmerte sie auch nicht. Sie sah
nur, dass der entwurzelte Baum genug

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