Ewig Böse
sauber, bereit für meine Rückkehr. Er wirkte wie ein Hotelzimmer, die Laken zurückgeschlagen, die Kissen aufgeschüttelt. Im begehbaren Schrank saß kein Eindringling.
Auf dem Nachttisch standen eine eckige Lampe mit einem Sockel aus klarem Glas, das Uhrenradio und das Telefon. Der Apparat steckte aufrecht in der Ladestation, wie es sich gehörte. Hier war niemand. Niemand hatte das Telefon benutzt. Niemand war im Haus. Das dumpfe Poltern war lediglich einer dieser Laute gewesen, wie alte Häuser sie von Zeit zu Zeit von sich geben.
Es sei denn, das Ding, das ein zufälliges Altes-Haus-Geräusch verursacht hat, steckt im Ballsaal. Mach schon, du elender Schlappschwanz.
Nein, ich würde heute Nacht nicht da hineingehen. Im Ballsaal gab es kein Telefon, und hier ging es ums Telefon, um den Anrufer. Sonst nichts.
Wer hatte mich angerufen? Und wie war er an meine Stimme gekommen? Meine Stimme, die Worte wiederholte, die ich vor Monaten gesagt hatte, als ich fast jeden Abend betrunken und heulend mit Selbstgesprächen verbrachte, damit ich nicht Staceys Stimme in meinem Kopf hören musste – oder schlimmer, das Vakuum des Schweigens, wenn sie sich weigerte, mit mir zu sprechen. Hatte ich damals telefoniert? Hatte ich in meinem Elend jemanden angerufen? Konnte er meine Stimme aufgezeichnet und sie mir jetzt wieder vorgespielt haben, um mich zu quälen? Wer würde denn so etwas Heimtückisches tun?
Außer Lucy rief mich kaum noch jemand an. Alle anderen hatten vor Monaten aufgegeben, als ihnen klar wurde, dass ich noch nicht bereit war, Los Angeles zu verlassen. Es ist besser, ihn in Ruhe zu lassen, sagten sie sich, obwohl sie nicht verstanden, wie ich es fertigbrachte, in diesem Haus zu bleiben.
Diesem Haus. Diesem Schlafzimmer, unserem Schlafzimmer, dem Raum, in dem ich nicht mehr schlafen konnte. Ich ging zur Kommode und zog eine Schublade heraus. Staceys Socken. Kleine Bällchen, pink und gelb und weiß. Und ihre ›Winter‹-Strümpfe, die langen Sportsocken, die ihr immer auf die Knöchel herunterrutschten, wenn sie an einem kalten Januarmorgen durchs Haus tappte. Ich schob die Schublade zu. Die nächste war vollgestopft mit dem, was ich Haushemden nannte, alte T-Shirts, die ihre Laufbahn als mein Eigentum begonnen hatten, bevor sie von Stacey adoptiert wurden und schließlich uns beiden gehörten. So Zeug eben, das man anzieht, um im Patio einen Stuhl anzustreichen. Ich griff nach einem schwarzen T-Shirt, das in käsig weißem Airbrush-Stil eine nackte Frau zeigte, die in einem mythischen Wald mit dem Rücken zum Betrachter auf dem dicken Ast eines Baums stand, während der volle Mond gelb an einem Märchenhimmel prangte. Wolfmother stand darunter. Eine von Staceys Lieblingsbands. Ich drückte mein Gesicht hinein und atmete tief ein. Es roch nach Staub.
Ich warf es zurück und öffnete eine andere Schublade ganz rechts oben. Sie enthielt ein Sammelsurium meiner Unterwäsche. Ich starrte sie an und versuchte, einen Sinn hinter der Ordnung zu erkennen, der Art, wie sie säuberlich zusammengefaltet und gestapelt lagen. Gab es noch andere Frauen auf der Welt, die Boxershorts seitlich in Drittel zusammenlegten und dann noch einmal von oben nach unten, bis sie ein perfektes Quadrat bildeten? Ich hatte es immer für Zeitverschwendung gehalten, wenn Stacey meine Unterwäsche faltete.
»Knüll sie einfach zusammen, und stopf sie in die Schublade«, hatte ich mindestens ein Dutzend Mal zu ihr gesagt. »Ist doch egal, wie sie aussehen, spar dir die Mühe.«
Dann sah sie mich stirnrunzelnd an und faltete weiter, mit graziösen und doch irgendwie roboterhaften Bewegungen, als wollte sie mir trotzen, indem sie die Wäsche-Geisha spielte. »So ist es hübscher, James«, sagte sie immer.
Das war einer der Staceyismen, die ich fast vergessen hatte.
So ist es hübscher.
Stacey, warum legst du immer dieselbe Otis-Redding- CD auf, wenn wir Gäste zum Abendessen haben? So ist es hübscher. Manchmal fand ich sie mit ihrer speziellen Flasche Zitronenpolitur am hölzernen Kaffeetisch zugange, obwohl Olivia ihn früher am Tag bereits mit dem Schwamm abgewischt hatte. Warum sagst du nächstes Mal nicht einfach Olivia, sie soll das machen? Und Stacey, meine Frau, meine kleine, unvollkommene, platinblonde Frau, wickelte nur den Polierlappen fester um Mittel- und Zeigefinger, massierte das Öl in die dunkle Maserung und hauchte beinahe unhörbar: »So ist es hübscher.« Ich machte mich lustig darüber, wie sie die Laken mit
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