Ewig Böse
kamen auf eine Summe von siebentausend für die überfällige Hypothekenrate, einen Monat laufende Kosten und genügend Taschengeld für sie, dass sie mich nicht wie ein Kind jedes Mal um fünf Dollar anbetteln musste, wenn sie zum Drugstore laufen und sich einen neuen Comic kaufen wollte.
»Das gefällt mir nicht, James.«
»Du hilfst mir bei der Rekonvaleszenz«, sagte ich. »Du musst dir um Geld jetzt keine Sorgen mehr machen. Ich besorge mir einen Job in der Fabrik.«
»Welcher Fabrik?«
»Das sollte ein Witz sein«, meinte ich.
Sie lächelte schmallippig, zuckte dann zusammen und griff sich an die Stirn. Die Rückkehr traf sie hart. Das waren Trauer- und Spannungskopfschmerzen.
»Warum nimmst du nicht ein paar Tabletten und legst dich ein bisschen hin?«, fragte ich. »Ich besorge uns Lebensmittel und so Zeug.«
»Du kennst dich hier doch gar nicht aus.«
»Ich habe meinen Laptop dabei. Ich bestelle uns einen Fernseher.«
Das WiFi-Netz in einem Nachbarhaus funktionierte noch. Zwei Tage später lieferten die Freaks vom Technikmarkt einen sechsunddreißig Zoll Plasmafernseher, einen Sound-Bar, Blu-ray Player und etwa ein Dutzend neuer CD s und DVD s, die ich ziemlich wahllos ausgesucht hatte. Annette verbrachte den größten Teil der ersten Woche damit, mit den Banken und ihrem Anwalt zu telefonieren und jede Menge Papierkram zu erledigen. Ich hörte sie mit bestimmter, doch ruhiger Stimme hinter der Tür sprechen, gefolgt von Entschuldigungen und manchmal Tränen. Nach solchen Anrufen umarmte sie mich und bedankte sich, aber wenn ich nachfragte, warum sie weinte, winkte sie ab. Dann hatten wir wieder Sex, heiß und schnell am Nachmittag, langsamer und zärtlicher in der Nacht. Ich versuchte, nicht an die Umstände zu denken, die uns zusammengeführt hatten, oder an ihre Kopfschmerzen, die mit dem Aufwachen anfingen und sich über den Nachmittag hinzogen, egal, wie viele Migränekapseln sie schluckte.
»Ich finde wirklich, du solltest zum Arzt gehen«, sagte ich immer wieder.
»Ich bin nicht einmal versichert«, erwiderte sie. »Man kann sowieso nichts dagegen machen. Es geht schon vorbei. Mir geht’s gut, wirklich.«
An den Abenden machten wir Spaziergänge durch die Nachbarschaft. Sie erzählte mir von den Menschen, die früher hier gelebt hatten oder eine Zweit- oder Drittwohnung besessen hatten. Da war der Zahnarzt, der seine Zulassung verloren hatte, weil er neben Kronen und Zahnweiß-Kuren auch medizinisches Kokain und Lachgas verkauft hatte. Dort der orthopädische Chirurg, der das Knie des Footballspielers Tom Brady wieder aufgebaut hatte. Einmal sahen wir eine italienische Familie, die zu fünft mit dem Hund Gassi ging, gekleidet in Leinenhemden und Flechtsandalen, als bereiteten sie sich auf den Exodus vor. Am nächsten Tag kam ihr Umzugslastwagen. Wir sahen bis spät in die Nacht fern, ernährten uns von Süßkram und schliefen auf der Couch ein. Manchmal betrachtete ich Annette von der Seite, und obwohl sie auf den Bildschirm sah, war ich sicher, dass sie Millionen Meilen weit entfernt war und nichts von der Sitcom-Wiederholung mitkriegte, sondern nur die Zeit totschlug.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich dann.
Und mit zehnsekündiger Verzögerung antwortete sie: »Was? Ach so, schalt nur um, wenn du willst.«
Ich hörte auf zu fragen. Vogel-Strauß-Politik nennt man das wohl.
Er funktionierte nicht, unser kleiner Möchtegern-Urlaub. Nach einer Woche benahmen wir uns wie ein Ehepaar, das sich nichts mehr zu sagen hat. Sie stand oft auf, um auf die Toilette zu gehen, und blieb viel zu lange weg. Nach ein paar Stunden im Bett ging sie mitten in der Nacht nach unten, machte die Kühlschranktür auf und starrte minutenlang hinein, bevor sie sie wieder schloss, und ich lag oben im Bett und wusste, dass kaum mehr als ein paar Essensreste und Milch drinstanden. Dann kam sie zurück, wälzte sich eine Weile im Bett herum und hielt mich wach. Irgendetwas ließ ihr keine Ruhe. Sie versuchte, zu einer Entscheidung zu kommen. Ging es um mich? Um uns? Das Haus? Ich hatte keinen Schimmer.
Ich schlief zwölf, vierzehn Stunden lang und legte dazu am Nachmittag noch das ein oder andere Nickerchen ein. Jeden Morgen wachte ich voller Pläne auf. Ich wollte etwas unternehmen, Zeitung lesen, den braunen Rasen mähen. Aber ich war desorganisiert, mein Kopf voller Watte, lustlos. Annette machte eine zwei Tage andauernde, manische Putzphase durch. Ich bot ihr Hilfe an, doch sie lehnte ab, schließlich hätte
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