Ewig Böse
der Hose ab und versuchte zu begreifen, was da abgelaufen war. Ich dachte, dass Annette Hilfe holen wollte, aber als ich sie an der Kasse einholte, stand sie bloß mit ausdrucksloser Miene da.
Suzanne druckte die Rechnung aus, aber an die Stelle ihrer Munterkeit war eine förmliche Steifheit getreten. Sie sah keinen von uns an. Sie riss die Rechnung aus dem Drucker und schob sie zu mir hin, dann zog sie hastig ihre Hände zurück und fummelte an ihrem Brillenkettchen herum. Ihre knotigen Hände zitterten, und sie sog die Lippen ein. Ihr Blick glitt zu dem Pärchen auf der anderen Seite des Ausstellungsraums, und vermutlich überlegte sie, ob es klug wäre, sie herbeizurufen. Ich merkte, dass sie den Zusammenstoß gar nicht gesehen hatte, gar nicht wusste, wie knapp es ausgegangen war. Sie wusste lediglich, dass in ihrem Laden gerade etwas gründlich schiefgegangen war.
»Und?«, fuhr Annette mich an. »Unterschreibst du jetzt, damit die Sachen geliefert werden können, oder sollen wir alles vergessen?«
»Was?« Ich sah ihr in die Augen. Das linke, jenes, das sich blau verfärbt hatte, während ich im Krankenhaus lag, war weit aufgerissen, die Pupille geweitet. Das grüne sah träge und leblos aus. Was immer in ihr wohnt, es hat eines ihrer Augen verändert. Die Kontrolle übernommen. Als wären sie inzwischen mit verschiedenen Gehirnhälften verbunden. Sie griff nach der Rechnung und klatschte sie herausfordernd vor mir auf die Glasplatte.
Ich beugte mich mit erhobenem Stift über die Papiere und war unsicher, was ich tun sollte.
»Unterschreib, und gib ihr deine Karte, James«, sagte Annette. »Um Himmels willen, bezahl die Frau, damit wir aus diesem Saftladen rauskommen.«
Suzanne zuckte zusammen. Ich vermutete, dass die Kreditkarte des toten Ehemannes nicht funktioniert hatte. Ich reichte ihr meine Visa. Suzanne warf mir einen verschreckten Blick zu und zog die Karte durchs Lesegerät.
Ich wandte mich ab und beobachtete die beiden Jungs draußen auf dem Gehsteig. Der größere Bruder hielt Ausschau nach seinen Eltern und kalkulierte vermutlich, wie seine Chancen standen, zu ihnen zu kommen, ohne mit uns zusammenzutreffen. Annette drückte mir den Papierkram und meine Visakarte gegen die Brust und stapfte in Richtung Ausgang.
»Tut mir leid«, sagte ich zu Suzanne. »Ich weiß nicht, was …«
»Ich will sie nicht mehr in meinem Laden sehen«, sagte die alte Frau. »Und Sie auch nicht. Machen Sie sich auf einen Besuch von der Polizei gefasst.«
Die Eingangstüren gingen auf, und die Jungen rannten laut rufend an Annette vorbei: »Mom! Dad! Mom!«
Annette würdigte sie keines Blicks. Sie ging hinaus und überquerte den Parkplatz. Ich musste mich beeilen, sonst fuhr sie ohne mich los.
»Ach du liebe Zeit«, sagte Suzanne und starrte den Knaben an, der ein Lätzchen aus seinem eigenen Blut trug. Die Kinder erreichten die versammelten dreihundert Kilo von Mom und Dad, die sich mit zunehmend ärgerlichen Blicken im Laden umsahen.
»Tut mir leid«, sagte ich. »Es war ein Unfall.«
Ich eilte zum Ausgang.
»Warten Sie«, rief Suzanne mir nach. »Bleiben Sie stehen!«
Die Sonne knallte mir ins Gesicht, als ich hinaustrat. Ich sah die Silhouette des grünen Mustangs zurückstoßen und rannte darauf zu, klatschte mit der flachen Hand aufs Dach, bevor sie ohne mich davonrasen konnte.
»Annette, halt!« Ich riss die Tür auf und ließ mich auf den Beifahrersitz fallen, während sie den Schalthebel in den Leerlauf rammte. Ich atmete schwer. Schweiß rann mir unter dem Hemd in den Hosenbund. »Was hast du getan? Was war das?«
»Was?«, fragte sie. »Er ist in mich hineingerannt.«
»Er wäre fast an seinem eigenen Blut erstickt!«
Annette starrte mich bloß an.
»Hast du ihn geschlagen? Um Himmels willen, hast du diesen kleinen Jungen ins Gesicht geschlagen, so dass er sich an seinem eigenen Blut verschluckte?«
»Er hat mich gebissen!«, protestierte sie. Sie hielt die Hand hoch. Ich sah eine halbmondförmige Reihe rötlicher Abdrücke und aufgerissenes weißes Fleisch, aber kein Blut. »Der kleine Mistkerl hat mich über den Haufen gerannt, und als ich ihm helfen wollte und eine Entschuldigung verlangte, hat er mich gebissen!«
»Nein …« Meine Stimme verklang. »Er bekam keine Luft. Du hast ihn geschüttelt. Ich hab es gesehen.«
»Ich wollte ihm helfen«, sagte sie. »Du hast keine Ahnung, wovon du redest.«
Ich fuhr mir durchs Haar und rieb mir die Augen. »Ich begreife nicht, warum er so
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