Ewig Böse
moderne Glocke, wie ein gedämpfter Gong, eine Art Melodie tief im Inneren des Hauses. Einen Moment lang begriff ich nicht, was es war, dann schlug der Gong abermals.
Ich stellte meine leere Bierflasche auf den Boden und ging in die Diele. Das Außenlicht brannte nicht, und die Lampe im Foyer spiegelte sich auf meiner Seite des Dielenfensters. Ich konnte nichts erkennen, also blieb ich hinter der Tür stehen und fragte mich, wer um beinahe halb zehn Uhr abends noch klingeln würde.
Ach so, natürlich. Die Polizei.
Ich blickte durch den Spion. Es war eine Fischaugenlinse, und unter dem Vordach stand eindeutig niemand. Keine Polizeiautos auf der Straße oder in der Einfahrt. Vielleicht war der Gong gar nicht die Türklingel. Ich wandte mich ab.
Bumm … bumm … bumm.
Jemand klopfte dreimal mit der Faust an die Tür, mit einer deutlichen Pause nach jedem Schlag. Also gut. Entweder war es ein sehr kleiner Mensch, oder jemand war weggegangen, um am Garageneingang nachzusehen, bevor ich durch den Spion sah, und dann wiedergekommen, um es noch einmal zu versuchen.
Ich ging zur Tür zurück und blickte abermals durch den Spion. Derselbe leere Eingang. Dieselbe leere Straße. Das war nicht mehr komisch.
Ich machte die Tür auf. Ich guckte in die Einfahrt. In den Garten. Zur Straße. Kein Mensch. Ich tastete nach rechts und schaltete das Außenlicht ein. Es zeigte mir auch nicht mehr. Ich wollte schon die Tür schließen, als mir aus dem Augenwinkel ein Glitzern auffiel. Ich trat ins Freie.
Annette hatte keinen Fußabstreifer, bloß eine nackte Betontreppe, deren oberer Absatz etwa anderthalb Meter im Quadrat maß. In der Mitte bemerkte ich einen weißen Kreidekreis, etwa vom Durchmesser eines Basketballs. Im seinem Zentrum waren dicht aneinander Murmeln in Form eines V gruppiert, aus dessen Winkel ein Stiel wuchs. Sieben der Murmeln waren schwarz, und die eine an der Spitze des V weiß. Ich beäugte das Ding von allen Seiten, und da wurde mir klar, dass es gar kein V mit Stiel war.
Es war ein Pfeil, der aufs Haus zeigte.
Ich blickte mich hastig noch einmal um. Dann ging ich die Treppe hinunter zur Einfahrt. Ich kontrollierte die Vorderseite des Hauses, das Tor, den hinteren Garten mit dem Pool. Ich ging seitlich vorbei, wo das Gras vertrocknet war und vier abgestorbene junge Bäume die Grenze zum Baugrundstück nebenan markierten. Nichts. Wenn es ein Lausbubenstreich gewesen war, hatten die Kinder sich versteckt.
Ich ging zurück zur Haustür und las eine der Murmeln auf. Sie war schwer, ungefähr so groß wie eine Traube. Ich ließ sie ein paarmal auf der Handfläche tanzen, dann warf ich sie gegen die halb geöffnete Tür. Das hohle Klock hatte keine Ähnlichkeit mit dem Klopfen, das ich vor ein paar Minuten gehört hatte. Die Murmel fiel auf den Fliesenboden und kullerte ein Stück weit ins Haus hinein. Ich wollte schon die Tür hinter mir schließen, als etwas mich innehalten ließ. Aus irgendeinem Grund kam es mir nicht richtig vor, die Murmeln auf der Treppe liegen zu lassen, also ging ich noch einmal hinaus und las sie auf. Dann bückte ich mich nach der weißen und legte sie zu den anderen in meine hohle Hand. In der Küche reihte ich sie auf der Arbeitsplatte auf und betrachtete sie eine Weile, während ich an einem frischen Bier nuckelte.
Murmeln. Ein Pfeil. In einem Kreis.
Wenn das irgendeine Bedeutung haben sollte, verstand ich sie nicht.
Kinder. Gottverdammte Kinder.
Ich stellte die Bierflasche ab und ging nach oben, um nach Annette zu sehen.
Die Schlafzimmertür stand offen, und der Raum strahlte trotz der späten Stunde noch die Hitze der Abendsonne ab. Ein schwaches Leuchten von einer entfernten Straßenlaterne schnitt durch die vertikalen Lamellen der Jalousie und legte Streifen gedämpften, orangefarbenen Lichts über das Bett und ihre Gestalt unter den Laken. Ich setzte mich zu ihr an die Bettkante. Ihr Gesicht war von Schweißtröpfchen übersät. Die Augen standen halb offen, aber sie zwinkerte nicht oder ließ sonst wie erkennen, dass sie sich meiner Anwesenheit bewusst war.
»He«, sagte ich. »Alles in Ordnung?«
Sie reagierte nicht. Ich streckte die Hand aus und hob ihr Handgelenk an. Der Arm fühlte sich an wie ein Stock, der in eine Gelatinehülle eingebettet ist. Ich fühlte ihre Stirn. Ich hätte erwartet, dass sie fieberte, aber die Haut war kühl, fast kalt.
Sie ist emotional erschöpft. Lass sie schlafen.
Stacey war auch emotional erschöpft gewesen. In den Monaten vor
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