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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ransom
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aber da war nichts. Wir erreichten einen kleinen Anstieg, und ich ging schneller, nachdem die Kuppe hinter mir lag. Um mich zu orientieren, warf ich Seitenblicke auf die Häuser. Es ging jetzt wieder abwärts, und ich zählte die Schritte. Ich wollte ihn überrumpeln. Sechzehn, siebzehn  …
    Ich fuhr herum. Die Straße war menschenleer. Ich musterte die umliegenden Gärten. Der Junge war verschwunden. Ich wollte mich gerade abwenden, als mir ein Glitzern auf dem Boden auffiel. Ich senkte den Blick. Sieben schwarze Murmeln, eine weiße. Angeordnet zu einem Lächeln mit zwei Augen darüber – eines weiß, das andere schwarz.
    Er hatte sie weniger als zwei Meter hinter mir hingelegt.
    Zehn Minuten später stieß ich auf eine Straße, die ich kannte. Sie führte hinunter in die ›Grube‹ zu den billigen Häusern, und von da aus fand ich zurück zu Annettes Haus. Die Tür war unverschlossen. Ich ging hinein und schlug einen Haken nach rechts zur Garage, um nachzusehen, ob der Wagen da war.
    »James?«, hörte ich ihre Stimme aus dem Wohnzimmer. »Bist du das?«
    Ich fühlte mich ertappt, erfüllt von der vertrauten Furcht, die ich gespürt hatte, wenn ich von einer Tournee nach Hause zurückkam. Es war das gleiche Unbehagen, das mich beschlichen hatte, als ich mich fragte, wie viel schlimmer es mit Stacey in der Zwischenzeit geworden war.
    Ich kehrte um und ging ins Wohnzimmer. Sie saß kerzengerade auf der Couch, die Hände lagen flach auf den Oberschenkeln. Ihre weißen Haare waren in der Mitte gescheitelt und hingen glatt herunter, an den Rändern etwas ausgefranst. Sie trug einen pinkfarbenen, mit pummeligen schwarzen Schäfchen bedruckten Flanellpyjama. Ihre Haut hatte nicht mehr die Farbe eines Fischbauchs. Einige oder sogar alle ihre Sommersprossen waren zurückgekehrt, aber ich zählte sie nicht. Sie war immer noch blass, doch selbst hier im Halbdunkel wirkte sie gesünder, von einer neuen Vitalität erfüllt, als wäre ihr – Zustand – vorüber.
    »Hey«, sagte ich. Ich machte kein Licht. »Du bist spät auf. Fühlst du dich besser?«
    Sie sah mich nicht an. Ich hörte sie schwer atmen, als wäre sie gerannt, bevor ich hereinkam. Zuerst dachte ich, dass sie weinte, aber ihre Stimme klang fest, die Wangen waren trocken.
    »Ich habe Angst, James. Diesmal habe ich wirklich Angst.«
    »Was ist denn los?«
    »Eines Tages wird dir etwas zustoßen. Vielleicht kommst du nicht zurück.«
    »Mir geht’s gut. Ich war bei Rick.«
    »Rick?«, erwiderte sie. »Wer ist Rick?«
    »Der Möchtegern-Cop. Rick Butterfield. Dein Freund, der mir die Haare gefärbt hat.«
    Sie sah mich mit den Augen einer Frau an, die soeben einen Flugzeugabsturz überlebt hat. »Aber wo sind wir?«
    »Was meinst du?«
    »Wessen Haus ist das? Ist es eins von seinen? Hast du mich hergebracht?«
    »Von seinen?«
    »Ghost.«
    Es hatte einen Moment gegeben, als mich die Erkenntnis traf. Den Moment, als Stacey eine bestimmte Grenze überschritten hatte und es nicht länger verbergen konnte. Als mir klar wurde, dass sie nicht einfach ein bisschen zu viel ›Party‹ gemacht hatte, sondern eine echte geistige Krankheit vorlag, selbst wenn es ›nur‹ eine Depression war. Da begriff ich, dass wir ein echtes Problem hatten . Die Erkenntnis hatte mich nicht getroffen wie ein Eimer kaltes Wasser, sondern war klammheimlich in meine Adern gekrochen. Alles in mir wurde zäh, verhärtete sich in Abwehr. Erst kam die Angst, dann Traurigkeit, dann ein Gefühl des Verlusts. Denn so sehr ich sie auch liebte, ich begriff blitzartig, dass ein Teil von ihr gestorben war. Ein Teil der Frau, die ich gekannt und geliebt hatte, existierte nicht mehr. Mir war klar, dass ich in einem Moment der Unachtsamkeit etwas verloren hatte, vielleicht nur eine Kleinigkeit, vielleicht aber auch etwas, das so groß war wie ihr Herz.
    Ein paar Tage, bevor sie den Tod fand, kam ich nach Hause und fand sie auf einer niedrigen Stehleiter in der Eingangshalle vor, wo sie die Hutablage mit einem feuchten Lappen abwischte. Als ich fragte, was sie da täte, sah sie lächelnd zu mir herunter und sagte: »Saubermachen.«
    »Die Garderobe?«
    »Sie muss sauber sein, sonst kommen sie nicht zurück.«
    Als ich unterdrückt lachte, mitspielte und sie fragte, wer ›die‹ denn seien, erlosch ihr Lächeln schlagartig und sie antwortete: »Du weißt schon, wer.«
    »Wovon redest du?«
    Sie stieg von der Leiter und ging fort, als wäre ich gar nicht da. Ich folgte ihr durch die Küche in den

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