Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
Vom Netzwerk:
für Verführungszwecke geschaffenen Lokals Kapital schlagen konnte. Das rechnete sie ihm hoch an, mehr noch, sie fand es sogar anziehend. Immerhin hatte er seinen Arm erfolgreich um ihre Schulter geschlungen und hielt sie fest wie ein großer Beschützer. So standen sie wie ein verlorenes Trachtenpärchen an der Theke und erzählten sich unwesentliche Details aus ihrem Leben.
    Judith brauchte schließlich zwei etwas härtere Getränke, um Hannes so prinzipiell einmal die Frage zu stellen: »Wie wäre es eigentlich mit einem Kuss?« – Dabei schleuderte sie einen auffordernden Blick von unten mitten in seine weit aufgerissenen Augen und wusste selbst, dass sie dabei umwerfend ausgesehen haben musste. Sie zum Beispiel hätte sich dafür sofort geküsst. Er sagte wenigstens »Ja«, ganz ohne Nachdenkpause.
    »Aber nicht hier und jetzt«, ergänzte er zu ihrer Verblüffung. »Wo dann und wann?«, fragte sie. Hannes: »Bei mir.« (Ohne Zeitangabe.) Judith: »Bei dir?« Sie strich mit der Daumenkuppe über die kantige Oberfläche des neuen Ringes. Sie hasste Bernstein. Vielleicht bestand seine gesamte Wohnung mit all ihren Einrichtungsgegenständen aus Bernstein. »Nein, bei mir«, sagte sie, über ihren eindringlichen Ton erstaunt. »Okay, dann gehen wir zu dir«, erwiderte Hannes sehr rasch. Er lächelte mit all seinen weichgewaschenen und abgeschirmten Sonnenstrahlenfältchen. »Dann« hieß bei ihm offensichtlich »jetzt gleich«, dachte Judith, während er sich anschickte zu bezahlen.
     
8.
    Die Stehlampe neben ihrer ockergelben Wohnzimmercouch hatte sie in einem Antiquitätengeschäft in Rotterdam entdeckt. Die beweglichen Schirmköpfe hingen wie Goldregen von einem geschwungenen dicken Blumenstiel herab. Die Lichtquelle mündete und versiegte in sich selbst. Der Raum bekam davon nur das Notwendigste ab.
    Judith hatte lange gebraucht, um die Schirme im optimalen Winkel aufeinander einzurichten. Nun schaffte es die Lampe, selbst die müdesten Augen zum Funkeln, die trübsten Gesichter zum Leuchten, die traurigsten Gestalten zum Lachen zu bringen. Wäre Judith Psychotherapeutin gewesen, dann hätte sie ihre Patienten nur für ein paar Minuten im Stillschweigen hierhergesetzt und nachher gefragt, welche Sorgen sie hatten oder ob sie sich überhaupt noch daran erinnern konnten.
    Judith war so sehr empfänglich für vertraute Lichter und ihre Wirkungen, dass sie sie auch spürte, wenn ihre Augen geschlossen waren, wie jetzt, zur feierlichen Zeremonie ihres ersten Hannes-Kusses. Wie hatte Lara am Telefon gefragt? »Ist es schön, ihn zu küssen?« – Schön? Ihn zu küssen? Sie hatte seine Lippen mit den Fingern berührt, er hatte seine Hand auf ihren Nacken gelegt und ihren Kopf sachte zu sich gezogen. Dann spürte sie ihn gleichzeitig an verschiedenen Stellen, verteilt über ihren gesamten Körper. Seine Beine nahmen ihre in die Zange. Mit der linken Schulter drückte er sich fest an ihren Oberkörper. Seine Ellbogen berührten ihre Hüften, die Arme pressten sich der Länge nach an ihre schmale Taille und schoben sich weiter hinauf. Die Hände fassten ihren Hals an beiden Seiten und fixierten ihren Kopf. Sie befand sich in vollkommener Umklammerung, als seine Lippen auf ihrem Mund zur Landung ansetzten, wie die Räder einer tonnenschweren Flugmaschine auf weichem Asphalt. Ein paar Mal wippten sie auf und ab, dann ließen sie sich fallen und saugten sich fest. Judith öffnete die Lippen und gab ihre Zunge frei, die nur noch unkontrolliert hin und her geschleudert wurde, wie am hochtourigen Ende eines Vollwaschgangs.
    Eine Faust konnte sich lösen und klopfte auf seinen Hinterkopf. Da ließ er augenblicklich locker. »Hey, nicht so fest, du raubst mir ja die Luft«, beschwerte sie sich. »Mein Liebling, verzeih mir«, hauchte er ihr stimmlos ins Ohr. Jetzt erst öffnete sie ihre Augen. Sein Anblick beruhigte sie. Hannes sah zerknirscht aus, wie ein ungeschickter Schuljunge, der wieder einmal alles falsch gemacht hatte.
    »Küsst du immer so heftig?«, fragte sie. »Nein, es ist, es ist, es ist …« Er benötigte drei Anläufe. »Es ist, weil ich dich so sehr liebe, ich weiß gar nicht, wohin damit«, erwiderte er mit flehentlichem Unterton. Okay, das Argument war brauchbar. »Deswegen musst du mich aber nicht gleich mit Haut und Haaren verschlingen«, sagte sie milde. Er lächelte verlegen, seine Augen strahlten im Goldregenlicht.
    Judith: »Du musst mich zart anfassen, ich bin aus Porzellan.« Sie tippte ihm mit dem

Weitere Kostenlose Bücher