Ewig Dein
– föhnte sie so lange aufwendig durcheinander, bis die Frisur endlich perfekt zerstört aussah. »Frech«, las man dazu in einschlägigen Haartracht-Magazinen. Jeans und T-Shirt lagen schon seit zwei Tagen für den Anlass bereit. Mit ihrer neuen schicken schwarzen Lederjacke und den coolen Schnür-Stiefeletten wollte sie Hannes zeigen, was Mode sein konnte, wenn man sie nicht dem Zufall oder dem Räumungsverkauf überließ. »Umwerfend«, hauchte sie in den Spiegel, bis er anlief. Hannes würde bestimmt wie von den Socken sein.
Sie war mit ihm zum Essen verabredet, es war sozusagen ihr erster richtiger Abend zu zweit. In der Schwarzspanierstraße hatte ein neuer, nein, nicht Spanier, sondern Vietnamese aufgemacht. Vermutlich extra für sie zwei. Hannes hatte für zwanzig Uhr reserviert. Judith kam gezählte dreizehn Minuten zu spät, zweifellos die längsten des Tages. Man konnte im begrünten Hof sitzen. Hannes sprang vom Tisch auf und ruderte wild mit den Armen herum, als er sie sah. Andere Gäste drehten sich zu ihr, um zu sehen, wie man erscheinen musste, um einen Mann an einem Hort asiatisch-meditativer Ruhe spontan derart aus der Fassung zu bringen.
Judith war diesmal überhaupt nicht nervös. Sie erzählte von ihrer Kindheit im Lampengeschäft, von ihrem Tramperurlaub mit Bruder Ali in Kambodscha und von ihren traumatischen Erfahrungen mit Voodoo zaubernden Heilpraktikern im brasilianischen Macumba. Dazu aß sie, so schnell und beherzt, wie sie redete, ein dreigängiges Menü, trank Cola und grünen Tee und ließ sich von Hannes anhimmeln, der appetitlos in einem trockenen Reisgericht herumstocherte, ohne den Blick von ihr abzuwenden.
Neben den schon üblichen Komplimenten, die kaum ein Gesichtsmerkmal, einen Körperteil oder einen inneren Wert Judiths ausließen, schmeichelten ihr die warmen Blitzlichtgewitter seiner Augen, die auf ihre Lippen niedergingen, sobald sie sie öffnete, um irgendwas zu sagen, wie belanglos auch immer es war. So hätte es für sie stundenlang dahingehen können.
Aber mit einer überraschend ruckartigen Bewegung nahm Hannes plötzlich ihre Hand, zog sie über die Tischmitte, vergrub sie in seinen Riesenfingern und löste damit ein seltsames Gefühl in ihr aus. Denn sein Blick war plötzlich ernst und feurig wie noch nie. Und er sagte, in einem ganz anderen, viel gewichtigeren Ton, als sich Frischverliebte beim ersten Rendezvous gegenseitig ihre harmlosen Lebensgeschichtchen erzählen: »Judith, du bist die Frau, auf die ich immer gewartet habe. Dir will ich meine ganze Liebe geben.« Da dies keine Frage war, wusste Judith auch keine Antwort darauf. So beließ sie es bei dem Hinweis: »Hannes, du bist so lieb zu mir. Ich kann es noch gar nicht begreifen.«
Ihre Hand hätte sie jetzt gerne wieder bei sich neben der Teetasse gehabt. Aber Hannes war noch nicht fertig damit. Besonders ihr vierter Finger war fest in seinem Griff, langsam schob sich da etwas über ihn, und es fehlte ihm jede Bewegungsfreiheit, es rechtzeitig abzuschütteln. Dann gab Hannes ihre Hand frei, und Judith durfte staunend die Veränderung an ihrem Finger betrachten. Dabei wirkte sie nicht sehr natürlich, solche Szenen hatte sie zu oft in Filmen gesehen. Und sie hielt sich an die dem Anlass gerechten Worte. »Hannes, bist du wahnsinnig?« »Wie komme ich überhaupt dazu?« »Ich hab doch erst in fünf Monaten Geburtstag.« Und auch »Das kann ich nicht annehmen« war dabei.
»Betrachte es als kleines Erinnerungsstück an unsere Anfangszeit«, sagte Hannes. Sie nickte. »Gefällt er dir?«, fragte er. – »Ja, natürlich, er ist wundervoll«, erwiderte Judith. Das war ihre erste Lüge, Hannes mitten ins verklärte Gesicht.
7.
Um den Ring zu verkraften, schlug sie vor, in ein anderes Lokal zu wechseln, in die »Triangel«, eine Bar hinter dem Votivpark. – Dort war sie ein paar Mal mit Carlo gewesen. Hannes hatte alle Chancen, es besser zu machen. Das spärlich eingesetzte Licht der gelben und roten Deckenspots brach sich an Wänden aus Milchglas und zeichnete die Gesichter der Gäste im Halbdunkel weich. Die Menschen verwandelten sich hier in schöngefärbte konturlose Gestalten, die sich nur noch schwer voneinander abgrenzen konnten. Wenn Carlo darauf gedrängt hatte, dass sie doch noch auf einen Sprung zu ihm kommen sollte (wobei jeder dieser Sprünge natürlich im Bett landete), dann hatte sie im »Triangel« meistens nachgegeben und ja gesagt.
Hannes war nicht der Typ, der aus der Aura eines
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