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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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Zeigefinger auf die Nasenspitze. Er legte seine Hände weich auf ihre Wangen. Sie: »Warum zitterst du?« Er: »Ich begehre dich so sehr.« Sie: »Willst du mit mir schlafen?« Er: »Ja.« Sie: »Dann tu es.« Er: »Ja.« Sie: »Aber das Licht bleibt an.«

Phase drei
1.
    Der Juni begann heiß und trocken. Das Tageslicht kam weiß wie aus einer kosmischen Neonröhre. Man benötigte Sonnenbrillen, um noch Farben zu erkennen. Der kleine Hibiskus-Baum auf ihrer Dachterrasse hatte seine letzten roten Blüten abgeschüttelt. Dafür schob die riesige Birkenfeige, die Hannes mitgebracht hatte, einen Trieb nach dem anderen heraus. Bis zum Herbst wollte Judith sich das noch ansehen, dann würde sie sie leider zurückschneiden müssen.
     
    Sie saß auf der Steintreppe, schloss die Augen und versuchte, aus den weißgelben Tafeln, die ihr die Sonne unter die Lider schob, etwas über sich herauszulesen. Sie war unbescheiden, wünschte sich, mit einem Male fassen zu können, was in den vergangenen Wochen mit ihr geschehen war, warum sie dasaß, wie sie dasaß. Ja und wie saß sie eigentlich da?
    Wollte sie denn einen Mann? (Nicht mehr unbedingt.) Einen »fürs Leben«? (Nur noch bedingt.) Hatte sie nicht bereits alle Kategorien durchgemacht? (Vor ein paar Wochen hätte sie noch ja gesagt.) War sie nicht eins mit sich gewesen? (Doch, meistens. Nur wenn sie betrunken war, war sie zwei oder drei mit sich.) Hatte sie nicht alles im Griff gehabt? (Doch, manchmal, eher werktags, und hauptsächlich Lampen.)
    Vor knapp drei Monaten hatte sie nun also jemanden kennengelernt. »Jemanden« war dramatisch untertrieben. – Hannes Bergtaler! Architekt. Er plante gerade ihre gemeinsame Zukunft. Der Rohbau stand schon. Wenn es nach ihm ging, konnten sie morgen bereits einziehen.
    Der Mann hatte eine außergewöhnliche, überdimensionierte, atemberaubende Liebesfähigkeit. Er liebte und liebte und liebte und liebte. Und wen liebte er? Er liebte – sie. Wie sehr? – So sehr. »Über alles« war nur ein Bruchteil davon.
    Aufpassen, Judith! Vielleicht machte er ihr etwas vor, vielleicht machte er jeder Frau etwas vor, vielleicht liebte er alle paar Monate jemanden so wie sie, vielleicht war er ein professioneller Über-alles-Liebender. – Nein, Hannes nicht. Hannes war echt. Er war kein Spieler. Er war kein Blender. Das war ja eben der Unterschied zu allem, was ihr bisher untergekommen war. In seiner Art, sie zu lieben, steckte etwas Endgültiges, ein irrer Anspruch auf die Ewigkeit. Er war so ernsthaft in seiner Hingabe, so treu in seinen Gesten, so echt in seinen Bekundungen, so konzentriert auf sie. Und das fand sie einfach unheimlich – anziehend. Anziehend? Sie wusste nicht, ob »anziehend« das richtige Wort war. Aber irgendwie in dieser Art fand sie es. Sie fand es, fand es, fand es …
    Sie wunderte sich über sich selbst. Wollte sie je auf Händen getragen werden? (Nur von ihrem Vater.) Wollte sie von jemandem in den Mittelpunkt des Universums gerückt werden? (Nicht einmal von ihrem Vater.) Wollte sie die Auserwählte sein? (Nein, sie wollte eigentlich immer selber auswählen.) Ja, genau, das war ihr Problem. Hannes ließ ihr keine Wahl. Er wählte. Er war ihr immer drei Schritte voraus. Das hieß: Sie kam nicht dazu, gezielte Schritte zu setzen. Sie stolperte den Geschehnissen hinterher. Sie war im Schlepptau seiner emotionalen Hochgebirgstouren.
    Was ihr ein bisschen Angst machte: In die Richtung, die er vorgab, ging es nicht mehr viel weiter. Ihr war der Kurs zu steil. Sie konnte bei seinem Tempo nicht mehr mithalten. Ihr ging die Luft aus. Sie musste bremsen. Sie benötigte eine Pause.
    Seit drei Wochen sah sie ihn jeden Tag. JEDEN TAG. Alle paar Stunden kam er zu ihr ins Geschäft auf einen Kaffee, und wenn es gerade keinen gab, dann halt auf eine Glühbirne. Wenn sie Kunden hatte, wartete er mit Engelsgeduld, bis sie frei war. Er kannte mittlerweile alle ihre Lampenkataloge in- und auswendig, und die Namen der hundert »volle geilsten Discos« von ihrem Lehrmädchen sowieso. Am Abend gingen sie essen oder ins Kino oder ins Theater oder in ein Konzert – ganz egal. Er hätte auch Müllhalden, Truppenübungsplätze und Autofriedhöfe besichtigt. Einzige Bedingung: mit ihr.
    Und ja, in der Nacht schlief er bei ihr. Das hieß: Sie schlief, und er beobachtete sie dabei. Sie hatte noch nie die Augen geöffnet, und seine waren nicht auf sie gerichtet gewesen. Als Kind hatte sie vergeblich auf den Schutzengel neben ihrem Kopfpolster

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