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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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ihr, um sie aufzufangen, falls sie umfiel. Judith: »Ich habe absolut nichts mehr mit ihm zu tun, tut mir leid.« Gudrun Wolff: »Aber vielleicht wissen Sie …« Judith: »Nein, ich weiß es nicht, ich will es auch gar nicht wissen.« Bianca: »Meiner Chefin ist, glaube ich, schlecht. Am besten, Sie gehen jetzt.« Gudrun Wolff: »Er wird doch hoffentlich nicht auf dumme Gedanken kommen.«
     
3.
    Nach Dienstschluss flüchtete Judith aus der Stadt. Bianca half ihr beim Packen, brachte sie zum Auto, schaute sich noch in den Seitengassen um und sagte: »Die Luft ist rein, Chefin, Sie können fahren.« Ihrem Bruder hatte sie nur ein knappes SMS geschickt: »Lieber Ali, liebe Hedi, komme am späten Abend zu euch. Darf ich bis SO bleiben? Werde euch nicht zur Last fallen. Judith.«
    Zur Abenddämmerung, deren blauviolette Lichtschimmer vor einer stürmischen Nacht warnten, hatte sie das alte Gutshaus im Mühlviertel erreicht. Veronika, das Baby, plärrte ihr schon von weitem entgegen. Ali bemühte sich, die Schwester herzlich zu begrüßen. Er wirkte müde und stoisch, wahrscheinlich nahm er wieder Medikamente. »Das ist vielleicht eine Überraschung!«, sagte er, ohne sich festzulegen, ob es eine gute oder schlechte war.
    Einige Stunden saßen sie um den Tisch und sprachen, akribisch darauf bedacht, nur keine beklemmenden Pausen entstehen zu lassen, über das Notwendigste des Naheliegenden, über Veronikas schwierige Geburt, ihre anstrengende Gegenwart und ihre ungewisse Zukunft. Dazu gab es Fotos, Livebilder an Hedis Brust und schrille Klangkulissen aus dem Gitterbett.
    Geduldig wartete Judith darauf, gefragt zu werden, warum sie gekommen war, wie es ihr ging, was mit ihr los sei, warum sie so zerstört aussah, wie sie sich fühlte. Aber Ali schaffte es nicht. Judith war für ihn seit jeher der einzige Mensch, dem es nie schlechter gehen konnte als ihm selbst. Wenn sie einmal aus ihrer Rolle fiel, würde Alis poröse Welt zu bröckeln beginnen.
    Seinen Job als Apothekenfotograf hatte er aufgegeben. Judith: »Warum?« Ali: »Das war die reine Beschäftigungstherapie. Ich hab das nicht mehr annehmen können.« Hedi: »Du kennst ihn ja, er hat seinen Stolz. Es wäre was anderes gewesen, wenn die Sache mit dir und Hannes … du weißt schon.« Judith: »Ja, ich weiß.« Ali: »Versteh das aber bitte nicht als Vorwurf.« Er strich mit seinen Fingern zart über ihren Unterarm.
    Judith hatte bereits den Entschluss gefasst, noch in derselben Nacht nach Hause zu fahren. Da stand plötzlich ein Überraschungsgast vor ihr – und sah ihr so lange, so eindringlich, so bekümmert in die Augen, dass diese unweigerlich zu tränen begannen. »Schön, dass du wieder einmal bei uns bist, Judy«, sagte Lukas Winninger, als wäre er inzwischen ein Familienmitglied geworden.
    Er hielt mit seinen Gedanken nicht hinter dem Berg: »Hey, aber gut geht’s dir nicht. Du bist blass, deine Wangen sind eingefallen. Du siehst erledigt aus. Hast du Sorgen?« Judith: »Kann man sagen.« Ali zuliebe lächelte sie. Lukas: »Was ist es? Probleme mit deinem Freund?« Judith: »Exfreund.« Lukas: »Hat er dich verlassen?« Judith: »Nein, eher das Gegenteil.« Lukas: »Sag schon!« Judith: »Da müsste ich weit ausholen. So viel Zeit wirst du nicht haben.« Lukas: »Man hat immer die Zeit, die man sich nimmt.« – »Ihr werdet mir nicht böse sein, wenn ich euch allein lasse?«, fragte Ali. Um einer Antwort zu entgehen, gab er seiner Schwester einen hastigen Kuss auf die Stirn.
     
    Judith wachte erst zu Mittag auf. Sie hatte traumlos durchgeschlafen. In der Nacht hatte das Jahr den Herbst hervorgezaubert und Gerüche angenommen, die mit Hannes nichts mehr zu tun hatten. Die Sonne spiegelte sich kühl-orange in der geöffneten Fensterscheibe. Ein ähnliches Licht erzeugte die hellrote Deckenleuchte aus Krakau, die in der Auslage ihres Lampengeschäfts hing.
    Fünf Stunden hatten sie zusammengesessen, sie und Lukas. »Uns wird etwas einfallen«, waren seine Schlussworte gewesen. »UNS wird etwas einfallen.« Er hatte es ihr versprochen. Und als sie dem Kaffeegeruch nachging, lehnte er bereits wieder am Küchenkasten und lächelte ihr aufmunternd zu.
    Sie: »Wohnst du hier?« Er: »Gelegentlich, bei besonderen Anlässen.« Sie: »Lukas, ich will aber nicht, dass du wegen mir …« Er: »Zwei Löffel Zucker, keine Milch?«
     
4.
    Zurück in Wien, schwor sie sich, Hannes Bergtaler mit Lukas im Rücken und Bianca an der Seite den Kampf anzusagen. Wie wird man

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