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Ewig sollst du bueßen

Ewig sollst du bueßen

Titel: Ewig sollst du bueßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Leotta
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zurück.
    Es war ein Desaster.
    Voller Wut griff Dad nach Moms Arm und verdrehte ihn – und boxte ihr
mitten ins Gesicht. Sie torkelte rückwärts gegen die Arbeitsplatte.
    Anna konnte noch seine Flüche hören, die er ausstieß, als er seinen
Gürtel abnahm, den mit der großen Metallschnalle, und anfing, ihre Mutter damit
zu schlagen. Anna und Jody kreischten und verschwanden unter dem Kü­chentisch,
um der fliegenden Schnalle zu entgehen. Dad schlug auf Moms Kopf, ihre
Schultern, ihren Bauch; bei jedem Schlag wickelte sich der Gürtel wie eine böse
zischende Boa Constrictor um ihren Körper. Die Metallschnalle knallte und
klatschte auf ihre Haut. Mom fiel auf den Boden und zog die Knie an, legte ihre
Arme vor das Gesicht.
    Anna und Jody schrien unter dem Tisch, drückten sich eng aneinander
und mussten zusehen, wie der Gürtel immer wieder auf ihre Mom niedersauste.
Striemen glühten auf ihren Armen, ihrem Hals und ihren Händen. Der
Gewaltausbruch war entsetzlich mit anzuhören – die Schreie ihrer Mutter, das
Brüllen ihres Vaters, das Kreischen der Mädchen, das Knallen des Gürtels.
    Â»Hör auf, Dad! Hör auf!«, schrie Anna. Er war wie von Sinnen. Wenn
er nüchtern war, konnte er nett und freundlich sein, aber jetzt war er eine
schreckliche, außer Rand und Band geratene Kreatur.
    Annas Angst machte sich als metallener Geschmack in ihrem Mund
bemerkbar, als ein warmes Rinnsal an ihrem Bein, ein Puckern in ihren Ohren,
das lauter war als die Schreie ihrer Mutter. Jody schrie: »Er wird Mommy töten!«
Anna musste etwas tun – doch sie war vor Angst wie gelähmt. Dad hob wieder den
Gürtel. In ihrer Verzweiflung – und ihrer Angst – hatte Anna etwas gemacht. Etwas Schreckliches.
    Als ihr Vater den Gürtel runtersausen ließ, schob Anna ihre kleine
Schwester zu ihrer Mutter hin.
    Jody stolperte mitten in die Küche. Für einen Augenblick sah es so
aus, als würde sie wieder unter den Tisch zurückrennen. In ihren Augen stand
fürchterliche Angst. Aber dann richtete sich die Achtjährige auf, streckte ihre
Arme aus, um ihre Mutter zu schützen, und wich nicht von der Stelle.
    Das alles war im Bruchteil einer Sekunde passiert, aber Anna konnte
immer noch die rasende Wut ihres Vaters vor sich sehen, den Horror im Gesicht
ihrer Mutter und den perfekten Bogen des Gürtels – genau bevor er Jody im
Gesicht traf. Er erwischte sie am Mundwinkel und riss das weiche Fleisch ihrer
Wange bis zum Ohr hin auf.
    Im Raum war es plötzlich totenstill. Von Jodys Wange hing ein Stück
herunter, die nasse rosige Innenseite war nach außen gedreht. Anna konnte durch
die Risswunde Jodys Backenzähne sehen, es wirkte, als ob sie ein verrücktes,
schiefes Grinsen aufgesetzt hätte. Blut strömte aus der Wunde, tränkte ihr
Shirt, spritzte auf den Boden und sammelte sich neben ihren Füßen in einer
Lache. Jody fing an zu schwanken und fiel hin. Sie kroch zu ihrer Mutter und legte
ihre Arme um sie, wollte sie immer noch vor ihrem Vater schützen.
    Der Gürtel hing schlaff von Dads Hand, es war vorbei. Er blinzelte,
verwirrt vom plötzlichen Auftauchen seiner jüngsten Tochter, deren Gesicht
aufgerissen war. Und ihm wurde langsam klar, was er getan hatte. Dann öffnete
er seine Faust und ließ den Gürtel auf den Boden fallen. Er landete in einem
kleinen Haufen neben der dunkelroten Lache von Jodys Blut. Er stolperte aus dem
Wohnwagen.
    Es war so lange her, dass Anna diese Erinnerung vollständig
zugelassen hatte. Unter ihrem Eindruck fing sie an zu weinen, leise erst, dann
aber schnell heftig schluchzend. Anna grub das Gesicht in ihre Kissen und
versuchte ihr Schluchzen zu ersticken.
    Â»Annie.« Sie fühlte eine Hand über ihren Rücken streichen. »Annie,
was ist los?«
    Anna setzte sich auf und sah Jody vor der Couch stehen, sie hörte
sich sehr besorgt an. Anna weinte kaum jemals vor ihrer Schwester.
    Â»O nein, ich habe dich geweckt«, sagte Anna und weinte nur noch
heftiger. Sie konnte einfach nichts richtig machen.
    Â»Hör auf, es ist doch alles okay.« Jody schaltete das Licht ein.
Anna zwinkerte in die plötzliche Helligkeit. »Was ist los?«
    Anna blinzelte ihre Schwester durch ihre Tränen hindurch an. Sie
hatte mit Jody nie darüber gesprochen, was an jenem Tag vor sechzehn Jahren
geschehen war. Sie hatte Angst davor.
    Anna verstand auf einmal,

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