Ewig sollst du bueßen
müssen.
Sie blickte noch einmal in den Spiegel. Ihr Haar war jetzt ordentlich,
aber gegen die rosa Stellen auf ihrer Stirn konnte sie nichts ausrichten. Sie
sah aus wie ein Stier, den man enthornt hatte. Sie drehte sich mit erhobenen
Handflächen Grace zu.
»Du siehst groÃartig aus«, log Grace besänftigend.
Sie verlieÃen den Toilettenraum und begaben sich in den Gerichtssaal
zurück, wo sie sich noch um ihre restlichen drei Verhandlungen kümmern mussten.
»In manchen Vierteln ist es für eine Frau Ehrensache, für ihren
Freund zu lügen. Sie will ihm damit zeigen, wie sehr sie ihn liebt«, meinte
Grace. »Als Laprea sich dazu entschlossen hatte, konntest du nicht mehr viel
ausrichten. Sie wollte, dass er davonkam.«
»Wenn er sie das nächste Mal als Punchingball benutzt, wird sie
anderer Meinung sein.«
Nick kam im Gang auf sie zu. Er grinste wie ein Sieger. GroÃartig,
dachte Anna, ich kann förmlich sehen, wie er sich freut. Aber als er Anna
erblickte, verschwand Nicks Lächeln. Er ging auf sie zu und stand vor ihr wie
ein Schüler, der sich bei seinem Lehrer einschmeicheln möchte.
»Du hast deinen Job gut gemacht«, sagte Nick. »Da gehört was zu, es
mit einer widerrufenden Zeugin aufzunehmen. Die meisten Staatsanwälte hätten
die Klage abweisen lassen, ohne noch einmal nachzuhaken.«
»Danke.« Sie nickte ihm zu und ging weiter. Sie wusste nicht, was
schlimmer war: ein sich freuender Nick oder ein sich höflich nicht freuender
Nick. Egal, sie konnte jetzt nicht mit ihm sprechen.
Als Anna und Grace das Foyer erreicht hatten, konnte Anna Laprea
sehen, die vor dem Glaseingang auf dem gepflasterten Platz vor dem Gericht
stand. Anna erstarrte. Dâmarco, der entspannt und selbstzufrieden aussah, kam
aus der Seitentür, durch die Gefangene entlassen wurden. Er trug dieselben
Sachen, die er bei seiner Festnahme angehabt hatte: Eine schwarze Jacke von
North Face, Baggy Jeans und Stiefel von Timberland. Anna konnte dunkle Flecken
auf seiner Jeans erkennen â getrocknetes Blut von Lapreas Gesicht. Aber Laprea
schien es nicht zu bemerken. Sie lächelte, als der Vater ihrer Kinder auf sie
zu schlenderte und sie umarmte. Er hielt sie lange und strich ihr über die
Rastazöpfe.
Grace schüttelte den Kopf. »Armes Mädchen. Der Teufelskreis der
Gewalt geht weiter. Ich sage es nur ungern, aber das nächste Mal kriegst du
ihn.«
»Ich hoffe nur, dass es beim nächsten Mal nicht zu spät ist.«
Während Anna das Paar beobachtete, spielten sich in ihrem Kopf wüste Szenarios
ab. »Ich hätte einen Weg finden müssen, um sie zu beschützen.«
Laprea und Dâmarco drehten sich um und gingen zusammen zur U-Bahn,
seinen Arm hatte er über ihre Schultern gelegt, ihr Arm war um seine Taille
geschlungen. Sie sahen wie ein nettes Paar aus. Sie blickte voller Hoffnung zu
ihm auf, er schaute sanft und dankbar auf die kleine Gestalt hinunter. Es
sollte das letzte Mal sein, dass Anna Laprea Johnson lebend sah.
KAPITEL 7
Winzige weiÃe Lichter glitzerten in den Bäumen des tiefen
Atriums und warfen einen warmen Glanz auf den weiÃen Marmorboden und die
Säulen. Ein riesiger Strauà von exotischen Blumen thronte mitten in der Lobby.
Allein dieses Arrangement hatte vermutlich mehr gekostet als Annas Monatsmiete.
Auf Tischen standen silberne Wärmebehälter mit kleinen Lammkoteletts und gegrilltem
Spargel, während Kellner mit weiÃen Handschuhen durch die Menge gingen und auf
Tabletts HorsdâÅuvres und Gläser mit Wein anboten. Die Lobby hallte wider von
Hunderten vornehmer Stimmen, während junge Anwälte in kleinen Gruppen über die
mächtigen RockschöÃe berichteten, an denen sie hingen. Die Happy Hour der erst
kürzlich von der Harvard Law School abgegangenen Anwälte war in vollem Gang.
Anna stand in einer Gruppe von Frauen und schwenkte ihr Glas mit
WeiÃwein. Sie hörte mit halbem Ohr einer atemberaubend aussehenden rothaarigen
Lobbyistin zu, die von der Anmache eines lüsternen Kongressabgeordneten
berichtete, und sah sich gleichzeitig um. Die Anwaltskanzlei von Arnold &
Porter war heute Gastgeber der Happy Hour und gab Abgängern der Harvard Law
School die Möglichkeit, sich von ihren luxuriösen Räumlichkeiten beeindrucken
zu lassen. Nur sechs Blocks vom Superior Court von D.C. entfernt, befand man
sich hier in einem anderen
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