Ewig sollst du schlafen
Steuer seines Eldorado und steckte den Schlüssel ins Zündschloss. Im Rückspiegel sah er seinen gequälten Blick, seine Augen, in denen aufgestaute Wut loderte, seinen stoppligen, angespannten Kiefer, Lippen, die sich entschlossen über die Zähne spannten. »Scheiße!«, knurrte er. »Dieser verdammte Dreckskerl!« Er legte den Gang ein, fuhr rückwärts aus der Parklücke und schaltete hoch. Dann trat er fest aufs Gas. Der Cadillac schoss vom Parkplatz auf die neblige Straße hinaus. Reed erwog, an seiner Stammkneipe auf einen Drink oder zwei oder direkt ein Dutzend anzuhalten. Dieser Abend war wie dazu geschaffen, sich sinnlos zu besaufen. Jack Daniels war manchmal ein verdammt guter Freund. Doch Jack konnte ihm auch nicht wirklich helfen. Seine Gegenwart änderte absolut nichts an den Tatsachen. Wenn Reed am nächsten Morgen mit einem Kater und Kopfschmerzen aufwachte, wäre Bobbi Jean immer noch tot. Das Kind hätte nach wie vor keine Chance gehabt, auch nur einen Atemzug zu tun. Und Reed würde mit der Tatsache leben müssen, dass er Bobbi Jeans Tod und den ihres Kindes in gewisser Weise verschuldet hatte. Er war das Bindeglied. Der verfluchte Grabräuber kommunizierte mit ihm. Und mordete ohne Skrupel. Aber was war mit Roberta Peters?
Was hatte sie mit ihm zu tun?
Er dachte daran, wie er durch ihr Haus gegangen war und etwas gespürt hatte … etwas, das er nicht benennen konnte. Wie ein Déjà-vu-Erlebnis, aber das traf es nicht ganz. Ein unfertiger Gedanke quälte ihn und wollte sich nicht formen. Was war es bloß – hatte es etwas mit Nikki Gillette zu tun? Hatte sie sie gekannt? Hatte Nikki einen Artikel über Roberta Peters geschrieben? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Er nahm den Fuß ein wenig vom Gas und lenkte den großen Wagen durch die Straßen der Stadt, vorbei an weihnachtlich geschmückten Läden und ein paar Fußgängern auf den Bürgersteigen. Vor dem Bürogebäude des
Sentinel
fand er eine Lücke in der Nähe des Parkplatzes für die Angestellten. Nikki Gillettes Subaru stand nahe einer niedrigen Hecke. Also machte sie Überstunden. Wie so oft. Das wusste er noch aus der Zeit, als sie ihn wegen anderer Fälle verfolgt hatte. Krankhaft ehrgeizig, wie sie war, verbrachte sie mehr Zeit in der Redaktion als zu Hause. Doch die ganze Nacht hindurch würde sie bestimmt nicht arbeiten. Statt sich in den Büros des
Sentinel
blicken zu lassen und den Verdacht einiger Kollegen zu schüren, er sei die undichte Stelle in der Polizeibehörde, beschloss er, draußen zu warten. Es kursierten ohnehin schon genug Gerüchte über ihn. Morrisette war nicht die Erste, die andeutete, er könnte die Ratte sein, die die Presse mit Insiderinformationen versorgte. Im letzten Sommer, als er den Fall Montgomery gelöst hatte, war er ein Held gewesen, und jetzt, nur sechs Monate später, wurde er verdächtigt, ein Informant zu sein. So schnell konnte sich alles ändern.
Er rückte den Sitz weiter nach hinten, streckte die Beine aus und wartete, den Blick starr auf die Eingangstür zu dem Gebäude gerichtet. Leute kamen und gingen. Angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit waren die Leute, die das Haus verließen, in der Überzahl. Reed erkannte ein paar Gesichter. Norm Metzger, in Wollmantel und Schal gehüllt, brauste in einem Chevy Impala davon, Tom Fink stieg in einen aufgemöbelten alten Corvette. Ein Junge, in dem er Finks Neffen erkannte – wie hieß er noch gleich? Deeter, genau, Kevin Deeter –, fuhr in einem Pick-up mit Abdeckplane vor und strebte auf das Bürogebäude zu. Er trug eine übergroße Braves Jacke und eine tief ins Gesicht gezogene Baseballkappe. Reed beobachtete den Jungen und bemerkte, dass Deeter unter der Eingangsbeleuchtung kurz innehielt, mit einer Kassette hantierte und sich einen Kopfhörer überstülpte. Er schob die Kassette in eine Tasche seiner sackartigen Jeans, stieß die Tür auf und betrat das Gebäude. Er war ein komischer Vogel.
Doch die Stadt war ja voll von Spinnern jeder Couleur. Reed lehnte sich zurück und fragte sich, warum der Grabräuber mit Nikki Gillette Kontakt aufgenommen hatte. Mit halbem Ohr lauschte er dem leise eingestellten Polizeifunk. Worin bestand der Zusammenhang? Wusste der Mörder instinktiv, dass sie wild entschlossen war, sich als Reporterin einen Namen zu machen? Hatte er sie beobachtet? Oder kannte er sie persönlich?
Kondenswasser sammelte sich auf der Windschutzscheibe.
Was war die Bedeutung der Zahl zwölf?
Ohne jemals
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