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Ewig sollst du schlafen

Ewig sollst du schlafen

Titel: Ewig sollst du schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Jackson
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ihm einen verlockenden Blick auf ihre Brüste gewährte, ließ sich nicht abschütteln. Er konnte es vergessen, jetzt Schlaf zu finden. Es gelang ihm nicht zu ignorieren, dass sie nur ein paar Schritte von ihm entfernt im Bett lag, das unglaublich hübsche, intelligente Gesicht von ihrem wirren Haar umrahmt, ihr fester Körper willig unter einem dünnen, durchsichtigen Nachthemd. Ja, ihm stand eine lange Nacht bevor.
    Er schob die Hände hinter den Kopf und scheuchte seine testosterongesteuerten Gedanken fort von Nikki Gillette und hin zu LeRoy Chevalier und dem Prozess vor zwölf Jahren.
    Chevaliers Anwalt hatte Einfluss auf die Garderobe seines Mandanten genommen. Verschwunden waren Chevaliers Jeans und Arbeitshemden, ersetzt durch einen schicken marine-blauen Anzug mit weißem Hemd und konservativer Krawatte. Chevaliers ungepflegtes langes Haar und der krause Bart gehörten plötzlich der Vergangenheit an. Jetzt trat er glatt rasiert auf, mit ordentlichem, beinahe militärischem Haarschnitt, und ein Gesicht mit kantigem Kinn, Adlernase und großen ausdrucksstarken Augen unter kräftigen dunklen Brauen kam zum Vorschein. Chevalier hatte ein paar Pfund verloren, seinen Bierbauch suchte man vergeblich. Im Gerichtssaal wirkte er eher wie ein Beamter oder ein Mitglied des Countryclubs, nicht wie ein Brummifahrer mit einer üblen Vergangenheit voller Kneipenschlägereien und häuslichen Gewaltakten.
    LeRoy Chevalier hatte einmal einen Queue auf dem Schädel eines Mannes zertrümmert, ein anderes Mal wurde er verhaftet, weil er dem Mädchen, das mit ihm zusammenlebte, mit einem Tritt seiner Stahlkappenschuhe die Nase und das Schlüsselbein gebrochen hatte, und ein weiteres Mal wurde er für die versuchte Vergewaltigung einer Vierzehnjährigen, der Nichte seiner damaligen Freundin, verknackt. Jede einzelne Anzeige hatte ihm nur einen Klaps auf die Finger, eine äußerst kurze Haftstrafe, eingebracht. Chevalier war ein bösartiger, aufbrausender, brutaler Mann und verdiente für den Mord an Carol Legittel und ihren Kindern Becky und Marlin die höchstmögliche Strafe. Richter und Jury verurteilten ihn zu drei Mal lebenslänglich. Während des Prozesses hatte Chevaliers Verteidiger versucht, die Fakten zu verwischen, und darauf beharrt, dass der leibliche Vater der Kinder, Stephen, ein notorischer Kokser mit einem ebenfalls gewalttätigen Vorleben, der Schuldige sei. Obwohl Stephen kein wasserdichtes Alibi vorweisen konnte – nur ein alter Freund bezeugte, dass sie zur Tatzeit gemeinsam einen Jagdausflug gemacht hatten –, konnte der Verdacht gegen ihn nicht erhärtet werden. Die Beweise sprachen einfach zu deutlich gegen LeRoy Chevalier.
    Außerdem hatte Carols Jüngster, Joey, der das Massaker schwer verletzt überlebt und mehrere Woche lang im Krankenhaus gelegen hatte, stockend gegen den Freund seiner Mutter ausgesagt. Im Zeugenstand wirkte Joey verlegen, er mochte Chevalier während des Prozesses nicht ansehen, sprach manchmal so leise, dass Richter Ronald Gillette den Jungen mehrfach auffordern musste, seine Worte zu wiederholen.
    Gebannt hatten die Menschen im Gerichtssaal Joey Legittels und Ken Sterns Berichten gelauscht. Zusammen mit Chevaliers dokumentierter Vergangenheit und dem Beweismaterial vom Tatort, einschließlich eines blutigen Abdrucks von Chevaliers Arbeitsstiefeln, hatten diese Aussagen das Schicksal des Mannes besiegelt.
    Bis die DNA-Analyse den gegenteiligen Beweis lieferte. Nun ja, es war nicht gerade ein Beweis, aber zumindest Anlass zu zweifeln. Und das reichte, um den Kerl auf freien Fuß zu setzen.
    Warum also sollte Chevalier jetzt, nachdem er davongekommen war, diesen Feldzug starten, die Polizei provozieren und auf seine Fährte bringen? Es ergab keinen Sinn. Reed lauschte dem Wind, der die Äste eines Baums gegen das Fenster peitschte, und fragte sich, ob Nikki auf der anderen Seite der Tür wohl Schlaf finden konnte. Er erwog, nach ihr zu sehen, entschied sich aber dagegen. Nicht nötig, das Schicksal noch mehr herauszufordern, als er es bereits getan hatte.
    Wo bin ich?
    Simone schlug die Augen auf. Sie hatte geschlafen oder … oder war betäubt gewesen. Sie spürte die Enge ringsum. Ein schweres Gewicht schien auf ihre Brust zu drücken. Sie lag unbequem und rang keuchend nach Luft. Der Albtraum war so real gewesen … Und plötzlich wusste sie es wieder: Sie hatte gar nicht geschlafen. Sie hatte das Bewusstsein verloren. In dem Sarg mit der Leiche.
    O Gott…
    Sie glitt immer

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