Ewig sollst du schlafen
sein.« Damit legte er auf. »Verdammt«, schimpfte sie, riss das oberste Blatt von ihrem Block und stopfte es in ihre Handtasche. Sie durfte keine Zeit verlieren. Das hier war ihre ganz große Chance. Und die würde sie sich nicht mit Norm Metzger teilen. Ausgeschlossen. Ganz gleich, was Tom Fink dazu sagte. Sie wollte nicht das Risiko eingehen, dass irgendjemand im Büro dahinter kam, was sie gerade recherchierte, deshalb packte sie ihren Laptop ein, stempelte sich aus und fuhr nach Hause. Wenn sie auch Gefahr lief zu erfrieren, weil ihre Turmwohnung so gut wie gar nicht isoliert war, verfügte sie doch über einen Internetzugang. Und sie hatte ein Passwort, das ihr Zugang zu den Nachrichtenarchiven des
Sentinel
und seines Pendants in Atlanta gewährte. Was immer es über Barbara Jean Marx zu erfahren gab, Nikki würde es an diesem Nachmittag herausfinden und dann mit der Beinarbeit beginnen: »Bobbis« Zuhause überprüfen, ihren Arbeitsplatz, ihre Freunde. Und vielleicht kam sie ja dabei der Antwort auf die Frage, warum die Frau ermordet worden war, auf die Spur.
»Was haben sie oben im Büro des Sheriffs herausbekommen?«, fragte Reed, als McFee gegen drei Uhr nachmittags sein Büro betrat. Reed hatte den ganzen Vormittag über gearbeitet, andere Fälle weiterverfolgt, das Labor angerufen, um zu erfahren, ob man auf dem Brief, den er kürzlich erhalten hatte, Fingerabdrücke gefunden hatte, sich bei St. Claire gemeldet und ihn um weitere Informationen über die Opfer in dem Grab gebeten. Der Gerichtsmediziner hatte ihm die vorläufigen Berichte gefaxt, und Reed war gerade damit beschäftigt, sie zu lesen. Alles, was St. Claire ihm vorab berichtet hatte, erwies sich als zutreffend. Barbara Jean Marx war erstickt, ihr Blut wies einen hohen Promillegehalt und Spuren eines Beruhigungsmittels auf. Sie hatte Hautabschürfungen an den Fingern, Blutergüsse an den Knien, die Stirn war blutig – vermutlich war sie mit dem Kopf gegen den Sargdeckel gestoßen. Sie hatte sich bei ihrem Versuch, sich mit bloßen Händen aus dem Sarg zu befreien, Finger und Zehennägel ausgerissen. Und sie war etwa in der elften Woche schwanger. Reeds Eingeweide krampften sich zusammen.
McFee nahm auf einem Besucherstuhl Platz. »Haben Sie mit Baldwin gesprochen?«
»Ein paarmal, aber wir wissen immer noch nicht viel mehr als vor ein paar Tagen«, musste der massige Detective eingestehen. Er legte die Stirn in Falten und fuhr sich mit der Hand übers Kinn. Dann griff er in seine Tasche und zückte einen kleinen Notizblock. »Prescott Jones, der Junge, der in den Bergen abgestürzt ist, schwebt immer noch in Lebensgefahr. Baldwin ist ins Krankenhaus gefahren, um ihn zu befragen, doch die Arzte und Schwestern haben ihn nicht zu ihm gelassen. Der Vater des Jungen war auch keine große Hilfe. Der glaubt wohl, der Bengel könnte die Geschichte an irgendeine Illustrierte verkaufen. Aber Baldwin bearbeitet ihn noch. Er hat auch mit dem anderen Jungen gesprochen.«
»Delacroix?«
»Genau. Aber der bleibt bei seiner Geschichte und erinnert sich nicht an weitere Einzelheiten. Aber er hatte so was an sich … als ob er etwas verschweigt.«
»Vielleicht hat er Angst vor Polizisten. So geht es vielen Kindern. Um sich nicht, wie er vielleicht meint, noch tiefer in Schwierigkeiten hineinzureiten, hält der Bengel lieber den Mund.«
»Ich nehme ihn mir noch mal vor.« McFee kritzelte etwas auf seinen Notizblock. »Aber vielleicht hat der Sheriff mehr Glück und holt aus ihm raus, was er verheimlicht.«
»Möglich«, räumte Reed ein.
»Ich habe außerdem mit dem Leiter der Spurensicherung gesprochen, und die haben an dem Sarg eine Seriennummer und Erdspuren entdeckt. Sie hatten Recht mit ihrer Vermutung, dass der Kasten vorher woanders vergraben war. Ein Teil der Erde an dem Sarg stammte nicht von der Stelle, wo man ihn gefunden hat. Zu viel Sand.« Klackende Stiefelschritte kündigten Morrisette schon an, bevor sie an der Tür auftauchte. Ihr blondes Haar stand stachelig in alle Himmelsrichtungen ab, und sie war von Kopf bis Fuß in Jeans gekleidet, Hose, Hemd und Jacke. Dazu trug sie ihre Schlangenlederstiefel, die sie in El Paso erstanden hatte. »Hab ich was verpasst?«, fragte sie und schenkte McFee ein Lächeln, das verdächtig nach einem Flirtversuch aussah. Himmel, lernte sie es denn nie? »McFee hat mir gerade berichtet, was unsere Kollegen da oben im Norden herausgekriegt haben.«
»Die Spurensicherung hat an dem Sarg eine
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