Ewig sollst du schlafen
schmiedeeisernen Zaun, der den Friedhof einfasste. Es war breit genug, um einem Fahrzeug Durchlass zu gewähren, und führte auf eine Zubringerstraße hinter dem Friedhof. Wahrscheinlich war es für Leichenwagen und für den Transport von Werkzeug zum Ausheben von Gräbern bestimmt. Unter den Bäumen stand der Lieferwagen der Spurensicherung, die Hintertüren weit geöffnet, ein Stück entfernt vom Tor, damit dort keine eventuellen Spuren vernichtet wurden.
»Wie lange dauert es noch, bis wir mit dem Ausgraben anfangen können?«, fragte einer der Beamten. Er trug Regenzeug und war, wie einige andere uniformierte Polizisten auch, mit Schaufel und Hacke ausgerüstet. »Bis wir hier fertig sind«, fuhr Diane ihn an. »Frag den da.« Sie wies mit dem Kinn in Reeds Richtung. »Okay, wir warten«, sagte er. »Genau das werden Sie tun«, brummte Diane, streifte ein Paar Latexhandschuhe über und griff nach ihrem Klemmbrett. »Immerhin haben wir schon mal die Erlaubnis, das Grab zu öffnen. Aber Sie warten trotzdem, bis ich die Erlaubnis erteile.«
»Mann, sind Sie mit dem falschen Fuß aufgestanden, oder was?«, fragte der Beamte, der die Fotos vom Tatort machte.
Diane antwortete nicht, doch ihr Mund wurde zu einem schmalen Strich. Mit gereizter Miene machte sie sich ein paar Notizen. Dann trat sie näher an das Grab heran und sprach den Mann an, der Bodenproben sammelte. Der Regen schien noch kälter geworden zu sein. Reed betrachtete die Irisch ausgehobene Erde. Der Grabstein war verwittert und trug die Inschrift:
Thomas Alfred Massey, unser geliebter Ehemann und Vater.
Unter dem Namen waren Thomas’ Geburts- und Todestag eingraviert. Reed entnahm den Daten, dass Massey achtzig Jahre alt gewesen war, als er vor sieben Jahren bestattet wurde. Sofern er in diesem Sarg lag.
Bevor sie ihn nicht ausgegraben hatten, konnte das niemand mit Bestimmtheit sagen. Reed kannte den Mann nicht, doch irgendwie ließ der Name leise Alarmglocken in seinem Kopf erklingen. Während ihm Regentropfen an der Nase entlangrannen, überlegte er angestrengt, doch es gelang ihm nicht, sich das Gesicht des Mannes vorzustellen oder sich auch nur zu erinnern, wo er den Namen schon einmal gehört hatte. Zumindest war es niemand, den er tatsächlich kannte.
Reed konnte nur hoffen, dass das zweite Opfer, falls es eins gab, auch ein Fremder oder eine Fremde für ihn sein würde. Er kramte in der Tasche nach seinen Tabletten. Sein Magen rumorte von dem starken Kaffee, sonst hatte er noch nichts sich genommen, er Wind frischte auf, und seine Schuhe versanken allmählich Schlamm. Diane Moses beriet sich nun mit Mitgliedern es Teams. Reed betrachtete einen Grabstein in der Nähe, las den Namen und den schlichten, in Granit geritzten Spruch:
RUHE IN FRIEDEN. Keine Chance.
Nicht, solange der Grabräuber frei herumlief.
»… Und Sie versprechen, dass Sie meinen Namen nicht erwähnen, ja?«, beschwor das elfenhafte Mädchen Nikki. Die beiden saßen sich an einem Tischchen im Café gegenüber. Lindsay Newell war siebenundzwanzigjahre alt, sah jedoch keinen Tag älter aus als achtzehn. »Sie kennen Mr. Hexler doch; in seinem Geschäft will er keinen Arger oder auch nur die Spur von einem Skandal. Er glaubt, das wäre geschäftsschädigend.«
»Ich werde sehr diskret vorgehen, und wenn Sie es wünschen, zitiere ich Sie auch nicht direkt«, versicherte Nikki der Schmuckverkäuferin, die mit Bobbi Jean Marx zusammengearbeitet hatte.
An diesem Morgen hatte sich Nikki unauffällig gekleidet, trug eine abgewetzte Jeans und einen Pullover, damit die Verkäuferin Zutrauen zu ihr fasste und vielleicht eher bereit war, Geheimnisse auszuplaudern. Als wären sie Freundinnen. Nikki hatte sie zu Kaffee und einem Croissant eingeladen, von dem Lindsay jedoch nur zaghaft genascht hatte. Während ringsum Löffel in Tassen klimperten und Unterhaltungen summten, bemühte sich Nikki, Bobbi Jeans Kollegin die Befangenheit zu nehmen. Sämtliche Versuche schlugen fehl. Lindsay, die gerade Frühstückspause hatte, war äußerst nervös. Kunden der
Coffeine Bean
kamen und gingen, jedes Mal, wenn die Tür geöffnet wurde, schlug die Glocke an, und Lindsay zuckte sichtlich zusammen, als rechnete sie fest damit, dass ihr Chef das Café betrat und sie bei einem vertraulichen Gespräch mit einer Reporterin ertappte.
»Hauptsache, Sie nennen nicht meinen Namen. Ich kann es mir nicht leisten, meinen Job zu verlieren.« Das Mädchen kaute aufgeregt auf ihren geschminkten Lippen herum
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