Ewige Nacht
Überreste der Leiche schon herausgeholt hatte. »Wann sind die techn ischen Daten über den Brand da?«
»Die ersten ungefähren Angaben bekommen wir in zwei Stunden. Aber die Laborberichte dauern.«
Timo ging nachdenklich auf das Fahrzeug zu, das immer wieder von den Blitzlichtern der technischen Ermittler erleuchtet wurde. Sein Telefon klingelte.
»Noora Uusitalo hat einen Platz auf der Finnhansa gebucht, die heute Abend um sieben von Helsinki nach Travemünde abfährt«, sagte Välimäki.
»Und ihr deutscher Freund?«
»Die Uusitalo hat eine Zweierkabine reserviert. Der andere Passagier heißt Benjamin Weibl.«
»Ich rufe dich gleich an.«
Timo wählte eilig die Nummer von Heidi Klötz in Brüssel. Sie meldete sich barsch. Der steife Stil seiner deutschen Kollegin ging ihm auf die Nerven. Es hatte Monate gedauert, bis sie das Siezen aufgegeben hatte, dabei war man bei der TERA um zwanglose Umgangsformen bemüht.
»Noora Uusitalo hat zusammen mit einem Mann namens Benjamin Weibl eine Kabine für das Schiff nach Deutschland gebucht. Heute Abend.«
»Was hast du vor?«
»Wir nehmen sie im Hafen fest.«
»Das würde ich auf keinen Fall empfehlen. Dann verlieren wir die Chance, dem Netzwerk auf die Spur zu kommen. Ich setze mich mit dem BfV Köln in Verbindung und bitte um eine Stellungnahme. Morgen früh fahre ich hin. Vorläufig kennen wir nur eine Person, die etwas über den Raubüberfall wissen könnte.«
»Und wer ist das?«
»Denks jüngerer Bruder Theo. Er lebt in einem Heim für psychisch Kranke in der Nähe von Wetzlar. Ich sage dir sobald wie möglich Bescheid, was die Kölner meinen.«
10
Die 22-jährige Frau trug schwarze Hosen mit Schlag, die auf der Hüfte hingen, und einen engen, fliederfarbenen Rollkragenpulli. Ihre Augen waren dick geschminkt.
Reija Suhonen war ein anderer Typ, ein total anderer Typ, als Soile es sich nach drei Telefonaten und zahlreichen E-Mails vorgestellt hatte.
Soile räusperte sich unsicher. Am liebsten hätte sie das Mädchen auf der Stelle dorthin zurückgeschickt, wo es hergekommen war, und erst gar keine Zeit mit ihm vergeudet. »Magst du einen Kaffee?«
»Lieber nicht. Hab einen tierischen Hangover.«
Soile verkniff sich eine Bemerkung, und Reija fügte hinzu: »War nur ein Scherz.«
Soile lächelte immer unsicherer und goss Kaffee aus der Thermoskanne in zwei Tassen. Vielleicht war das Mädchen bloß nervös und wollte die Atmosphäre etwas entkrampfen.
»Du hast also die Handelsschule besucht …« Soile nahm die ausgedruckten Mails vom Tisch. »Und versuchst, auf die Wirtschaftshochschule zu kommen.«
»Genauer gesagt hab ich die Handelsschule nicht ganz bis zum Schluss gemacht. Ich hab einen guten Job angeboten bekommen und zugesagt. In unserer Gegend ist Arbeit ja eher Mangelware.«
Soile sah sich das Blatt an, auf dem Reija ihre Ausbildung und Berufserfahrung aufgelistet hatte. Nach der Handelsschule stand da: »Verschiedene Tätigkeiten bei Safari-Tours, Joensuu.«
»Was genau hast du bei Safari-Tours denn gemacht?«
»Der Name ist ein bisschen irreführend. Wir haben für Mitarbeiter und Kunden von Firmen im Winter Motorschlittentouren und im Sommer Raftings und so was veranstaltet. Und dann halt alle möglichen speziellen Sachen … so abenteuermäßig. Wir sind mit den Leuten zum Beispiel nach Russland rüber und haben uns verschiedene Überraschungen für sie ausgedacht. War vor allem für Engländer und Franzosen ein Riesending.«
»Aha. Ähm …, du hattest Französisch im Gymnasium. Kommst du damit einigermaßen klar?«
»Oui, ça va. Mais la prononciation laisse à désirer un peu.«
»Très bien«, sagte Soile. Vielleicht trog der Schein ja doch. Außerdem war für ein zweites Bewerbungsgespräch ohnehin keine Zeit mehr. »Hast du ein Zeugnis von deinem Arbeitgeber dabei?«
»Nein. Mein Abgang war … nicht ganz konfliktfrei.«
»Was meinst du damit?«
»Ich hab, ehrlich gesagt, keine Lust, darüber zu reden.«
»Ich möchte aber gern alles wissen, was mit deiner beruflichen Laufbahn zu tun hat. Und auch mit deinem persönlichen Werdegang. Du begreifst doch, was für eine große Verantwortung ein Au-pair-Mädchen trägt?«
»Klar schnall ich das, ey … tschuldigung, natürlich habe ich dafür Verständnis. Also es war so, dass mich die Frau von meinem Boss auf dem Kieker hatte.«
»Auf dem Kieker?«
»Hat immer geguckt, was ich anhabe und was nicht. Die Frau war tierisch eifersüchtig. Weil wir halt über Nacht draußen und
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