Ewige Nacht
weit offen stand. Noora ging ein Stück weiter und sah, dass Ralf darin mit einer Ärztin saß.
Noora trat an den Empfangsschalter. »Entschuldigung«, sagte sie zu der Schwester. »Draußen steht ein belgisches Auto, bei dem das Licht brennt. Können Sie mir sagen, wem es gehört?«
Die Schwester nahm eine Liste zur Hand. »Wir haben heute Morgen nur zwei Besucher. Beide sind Deutsche … Aber bei der einen Person ist als Adresse Brüssel angegeben. Wahrscheinlich gehört ihr das Auto.«
»Könnten Sie die Person bitte ausrufen und ihr mitteilen, dass an ihrem Wagen …«
»Sie ist gerade beschäftigt«, sagte die Schwester mit seltsamem Gesichtsausdruck. »Sie ist Wissenschaftlerin und interviewt einen unserer Patienten …«
Noora verließ den Schalter und ging auf den Raum zu, in dem Ralf mit der Ärztin im weißen Kittel saß. Sie klopfte an die angelehnte Tür. »Entschuldigung, Ralf. Es ist wichtig.«
»Sie müssen sich zuerst als Besucherin eintragen«, rief die Schwester hinter dem Schalter streng.
Ralf wandte Noora das Gesicht zu. Der Ausdruck darin erschreckte Noora. Ralf war vollkommen aus der Fassung.
»Komm her.«
Ralf gehorchte mechanisch. Auch die Ärztin stand auf, eine schlanke Frau mit dunklem Brillengestell.
Mit energischen Schritten trat die Schwester von hinten auf Noora zu. »Sie können hier nicht herein, ohne sich eingeschrieben …«
Die Schwester sah die Frau im weißen Kittel an der Tür erscheinen. »Sie?«
Noora bemerkte den irritierten Gesichtsausdruck der Schwester.
»Warum tragen Sie einen Arztkittel? Was …«
»Alles in Ordnung«, sagte Noora mit schärfer werdender Stimme zu der Schwester, den Blick auf die Frau gerichtet, die nicht in den Arztkittel gehörte. »Wir sollten mal kurz nach draußen gehen, oder?«, sagte sie zu ihr.
Die Frau musste weg hier, sofort.
Noora führte sie zur Tür und bemerkte, dass Ralf wie gelähmt war und ihr nur mit Mühe folgte. Die Frau im weißen Kittel sah Noora intensiv an.
Beim Gehen fixierte Heidi Klötz die Frau, die sie sofort für Noora Uusitalo hielt, obwohl sie von ihr noch kein Foto gesehen hatte. Sie versuchte, sich einen Plan zurechtzulegen, doch das war unmöglich. Sie musste der Situation entsprechend handeln, die sich von Sekunde zu Sekunde ändern konnte. Der Satz der Krankenschwester hatte verraten, dass sie keine Ärztin war, aber noch war vielleicht etwas zu retten.
Sie traten durch die Eingangstür und gingen die Treppe hinunter. Am liebsten wäre Heidi dem Impuls gefolgt, umzukehren und sich im Gebäude in Sicherheit zu bringen, aber das hätte die Ermittlungen nicht vorangebracht. Darum beschloss sie, noch einen Moment abzuwarten.
»Wo gehen wir hin?«, fragte sie.
»Uns unterhalten«, antwortete Noora.
»Und worüber?«
Weder die Frau noch der Mann antworteten ihr. Ralf Denk befand sich offensichtlich in einem schockähnlichen Zustand. Jetzt hielt Noora die Zügel in der Hand, und zwar fest. Sie forderte Heidi auf, mit zum Parkplatz zu kommen. Das ging Heidi zu weit, sie fasste den Entschluss, nicht länger zu warten, sondern um Hilfe zu rufen.
Im selben Moment bemerkte sie, dass Ralf hinter seinem Rücken der Finnin etwas gab.
»Geh zu deinem Wagen!«, sagte Noora und richtete unauffällig die Pistole auf Heidi. Da ihre eigene Waffe noch in Theos Zimmer war, hatte Heidi keine andere Wahl, als zu tun, was man ihr befahl.
»Ihr fahrt hinter uns her«, sagte Noora zu dem Fahrer, der im Auto gewartet hatte. Dann wandte sie sich an Heidi: »Setz dich ans Steuer!«
Heidi gehorchte. Sie begriff, dass sie ein Risiko einging, aber es gab wenig Alternativen. Sie warf einen Blick auf das Gebäude und sah, dass der Oberarzt aus dem Fenster schaute. Gut.
»Ich weiß nicht, ob …«, begann Heidi.
»Fahr!«, befahl Noora ihr vom Beifahrersitz aus und richtete die Pistole auf sie.
Heidi startete und fuhr los.
»Wer bist du?«, fragte Noora aggressiv.
»Ich forsche über Schizophrenie …«
»Red keinen Scheiß!«, zischte Noora. »Du bist Polizistin.«
20
Der schmutzige Mercedes raste bei Venlo, nahe der deutsch-holländischen Grenze, auf der linken Spur über die Autobahn. Der stahlgraue Himmel spiegelte sich in der Windschutzscheibe, hinter der ein Mann mit ernstem Gesichtsausdruck den Verkehr im Auge behielt. Sie würden es gerade rechtzeitig zur Ankunft von Reijas Maschine aus Helsinki zum Brüsseler Flughafen Zaventem schaffen.
Timo versuchte, Heidi Klötz zu erreichen, aber sie meldete
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