Ewige Versuchung - 5
sie schickte. Nicht dass er ihre Loyalität dem Schurken gegenüber anzweifelte. Aber Vivian käme, weil sie ihn nicht loslassen konnte, aus genau demselben Grund, aus dem er ihr zu jenem Gasthof gefolgt war. Seine gesamte Entschlossenheit hatte er aufbieten müssen, um sie nicht zum Bett zu tragen und ihrer beider Körper zu einem verschmelzen zu lassen. Da war etwas zwischen ihnen, etwas, das mit ihrer ersten Begegnung begonnen hatte und nun, seit ihr Blut in seinen Adern floss, noch stärker wurde.
Bei Gott, er liebte seine kleine Brownie, jedoch konnte sie nicht mit dem besonderen Band konkurrieren, das ihn mit Vivian verknüpfte, oder mit dem besonderen Verlangen, welches Vivian in ihm weckte.
»Ich danke dir, meine liebe Freundin«, antwortete er und strich ihr sanft über die Wange. Sie lächelte, ohne sich in seine Hand zu schmiegen. »Aber was ich im Moment brauche, sind Blut und ein Bad – in dieser Reihenfolge.«
Sie war kein bisschen gekränkt, wie er feststellte, und das bewies schon, wie richtig seine Entscheidung war, sie zurückzuweisen. »Dann darf ich dir Nahrung anstelle von Wonne offerieren?«
Ja, dachte er, während sie bereits ihren Kopf zur Seite neigte, um ihm ihren schmalen Hals darzubieten. Sein Kiefer spannte sich an, als seine Reißzähne hervortraten, und Speichel sammelte sich in seinem Mund.
»Nein.« Er trat einen Schritt zurück. Er konnte ebenso wenig von ihr trinken, wie er sich in ihr vergraben könnte. Zwar fiel ihm keine einzige überzeugende Erklärung dafür ein, aber er konnte es einfach nicht. »Es ist spät. Ich möchte mich zurückziehen, und du solltest wieder in dein Bett gehen.« Er milderte seine Zurückweisung mit einem Kuss auf ihre Stirn ab, bevor er ihr eine gute Nacht wünschte.
Wie für seine Art passend, hatte Temple eine Wohnung im Keller der Schule – im Unterkeller, um genau zu sein. Früher waren die Räume unten, die einen direkten Zugang zu den Klippen und dem Strand darunter hatten, angeblich von Schmugglern und Piraten benutzt worden. Heute boten sie Temple Schutz vor der Sonne, Zugang zur Schule und einen günstigen Fluchtweg, kurz: die gleichen Vorzüge wie sein Versteck in England vor Jahren. Auch Cornwall war ein perfekter Ort gewesen, bis das Ryland-Mädchen beschlossen hatte, dort nach einem Schatz zu graben, und der Silberhandorden ihn fand.
Was wollten sie? Diese Frage ging ihm zum wiederholten Male durch den Kopf, während er die Steintreppe in die kühle Finsternis hinabstieg. Welche Rolle spielten er und die anderen in ihrem Plan? Wie hatte er fliehen können, ohne es vorher herausgefunden zu haben? Warum hatte er Vivian in dem Gasthaus nicht befragt, als er die Chance dazu gehabt hatte? Weil er zu sehr damit beschäftigt gewesen war, nicht auf ihre Brüste zu starren, als dass ihm die richtigen Fragen eingefallen wären. Was für ein Idiot er war! Er hätte Villiers töten sollen. Nun wusste Gott allein, was der Mistkerl vorhatte oder inwiefern Temples Handeln ihm auch noch dabei half.
Jede Reue war müßig, dachte er, während er den schweren Riegel von der Tür zu seinem Versteck hob. Später konnte er noch genügend über alles nachdenken. Es gab immer ein Später. Das wusste er aus Erfahrung.
Unten war kein elektrisches Licht, aber Lampe und Zündhölzer lagen genau dort, wo sie sein sollten. Er strich ein Holz am Türrahmen an und entzündete den Docht. Gleich darauf schien warmes goldenes Licht auf, das einen Teil des Raumes erhellte.
Es war staubig und kalt, was sich mit einem Feuer und ein wenig Aufräumen beheben ließ. Zuerst einmal brauchte Temple nichts weiter als ein Bett und ein Bad. Er stellte das Wasser an, um Schmutz und Insekten aus der Wanne zu vertreiben, und schlug das Bett auf, während sein Bad einlief.
In der Wanne schrubbte er sich den Dreck der Reise und der Wochen in Villiers Kerker aus dem Haar und von der Haut. Er wusste natürlich, dass der »Dreck« sich eher in seinem Kopf als auf seinem Körper befand, doch das Bad tat ihm trotzdem gut. Danach rasierte er sich und kratzte wohlig seufzend die juckenden Stoppeln von seinem Kinn.
Anschließend warf er die Kleidung, die er in London gekauft hatte, auf den Boden, damit sie später gewaschen werden konnte, und legte sich frische für den kommenden Abend bereit. Aus dem Ofen schaufelte er einige glühende Kohlen in die Wärmpfanne und steckte den verbeulten Blechbehälter zwischen die Decken.
Dann setzte er sich nackt vor das Feuer, einen Spiegel auf
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