Ewige Versuchung - 5
weil …«
Unweigerlich musste Temple lächeln. »Weil er mich gefangen nahm, mich unter Drogen setzte und mich in einen Käfig sperrte?«
Nun lächelte sie ebenfalls, wenn auch sehr zaghaft. »Wenn du es so ausdrückst, scheint es recht offensichtlich, nicht wahr? Dessen ungeachtet konnte ich nicht ergründen, warum er deine Art sowohl bewundert als auch verachtet.«
Seine Art.
Ihre Art war sehr viel rarer. Fragte sie sich nicht, wozu Villiers sie überhaupt aufgenommen hatte?
Er konnte nicht umhin, sie zu provozieren: »Fällt es dir nicht schwer, in Treue an einen Mann gebunden zu sein, der dir nicht traut?«
»Rupert vertraut mir!«, widersprach sie, wobei ihre Gewitteraugen seine bannten.
»Ach ja?«, erwiderte er mit hochgezogener Braue. »Nur eben nicht genug, um dir zu verraten, warum er mich gefangen hielt. Und auch nicht genug, um dir zu erzählen, warum er dich mir nachgeschickt hat.«
Sie hielt seinem Blick stand, weshalb er ihr den inneren Tumult an den Augen ablesen konnte. Er beugte sich vor und stützte seine Ellbogen auf den Tisch. »Warum bist du hier, Vivian? Sollst du mich ablenken? Mich mit winzigen Häppchen an Informationen füttern, auf dass ich glaube, du wärst auf meiner Seite?« Als sie rot wurde, schnaubte er kurz. Er war enttäuscht, obgleich er die Wahrheit gekannt hatte. »Für wie blöd haltet ihr zwei mich eigentlich?«
Immerhin musste er ihr zugutehalten, dass sie sich nicht abwandte. »Ich glaube nicht, dass du blöd bist. Und versuchst du nicht gleichfalls, mich zu benutzen? Willst du mich mit deinen Andeutungen und Verführungen nicht gegen Rupert einnehmen?«
»Natürlich will ich das«, gestand er. »Dein Mentor ist mein Feind, Vivian. Es wäre zu meinem Vorteil, könnte ich erreichen, dass du ebenso empfindest. Genauso ist es für mich von Vorteil, dich hierzubehalten, statt dich zu töten und deinen Leichnam als Geschenk verschnürt an ihn zurückzuschicken, wie ich es tun sollte.«
Ihre Augen wurden größer, ihr Teint blasser. »Du würdest mich nie töten.« Das leichte Zittern ihrer Stimme strafte die Gewissheit ihrer Wortwahl Lügen.
»Nein«, knurrte er, auch wenn er es nie zugeben wollte. »Aber ich sollte. Ich vermute, dein Tod würde Villiers’ Pläne zunichte machen.«
Sie starrte ihn an, und er musste an sich halten, sich nicht unter ihrem Blick zu winden. »Wie alt warst du, als Villiers dir von Vampiren erzählte?«
Vivian schrak zusammen und schüttelte den Kopf, als müsste sie das Entsetzen daraus vertreiben, das er in ihr geweckt hatte, als er davon sprach, sie zu töten. Sie fing sich schnell wieder. »Ich war sechzehn … und hielt ihn für vollkommen wahnsinnig.«
»Wie konnte er dich überzeugen?«
»Er zeigte mir einen.«
Temples Hand gefror über der Fleischplatte. »Wie bitte?!«
Sie überlegte kurz, während sie sich ein Stück Käse von einer anderen Platte nahm. »Wir waren in Deutschland und trafen einige von Ruperts Freunden. Sie hielten einen Mann in einem Käfig gefangen … nur war er kein Mensch. Er war ein Vampir, auch wenn er nicht aussah wie du.«
»Wir sehen nicht alle gleich aus«, erklärte er. Eigentlich hätte es sich scherzhaft anhören sollen, aber das tat es nicht. Vielmehr kam es recht schroff heraus. »In einem Käfig – wie ein Tier?« Dann konnte er nicht umhin, zu ergänzen: »Wie eine Monstrosität?«
Sie erbleichte unter den Terrassenlaternen. Wenigstens hatte seine Bemerkung einen Nerv getroffen. »Mit ihm stimmte etwas nicht. Da war etwas in seinem Gesicht. Seine Augen waren zu groß und seine Zähne alle wie die Fangzähne einer riesigen Bestie.« Sie sah ihn ratlos an, als würde sie an ihren Beschreibungsmöglichkeiten scheitern und zugleich wollen, dass er fand, jener Vampir gehörte in einen Käfig gesperrt. »Er sah gar nicht so menschlich aus wie du.«
Große Augen und Zähne. Unmenschlich. »Nosferatu.« Ein monströser Vampir, der zu dem geworden war, was er war, indem er krankes Blut getrunken hatte. Wahnsinnig, gefährlich und unvorstellbar bestialisch. »Was zum Teufel dachte Villiers sich dabei, dich dorthin zu bringen?«
Vivians Gesichtsausdruck veränderte sich, wurde fast verschlossen. »Er war der Meinung, ich sollte sehen, wie die wahren Monstrositäten aussehen.«
»Hast du dich so betrachtet?«, fragte er, denn allmählich begriff er. Wie konnte sie solchen Blödsinn denken? Er wollte ihren Vater lebendig dafür häuten, dass er ihr solche Sachen in den Kopf gesetzt hatte! Ihn
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