Ewige Versuchung - 5
oder sie war übertrieben misstrauisch, jedenfalls ließ etwas an Miss Cooper-Browns strahlenden Augen sie aufmerken. Da war etwas, das diese Frau ihr vorenthielt.
Warum kam es ihr vor, als würden alle ihre wahren Beweggründe vor ihr verbergen?
»Ich bin froh, hier zu sein, Miss Cooper-Brown.« Sie wäre noch viel froher, hätte sie endlich herausbekommen, was zum Teufel vor sich ging! Das wiederum konnte ihr eventuell eine der anderen Frauen erklären.
»Ach, ich bitte Sie! Sie müssen mich Kimberly nennen … oder Brownie.«
»Na schön.« Sie würde sie außerdem eine Lügnerin nennen, wenn auch nicht auf den Kopf zu. Nicht dass sie Kimberly irgendwelche bösen Absichten unterstellte, aber selbst die besten Absichten konnten bisweilen verheerende Folgen zeitigen.
»Denken Sie, Sie könnten morgen mit dem Unterricht beginnen?«, fragte die ältere Frau, die Vivians Skepsis offenbar nicht bemerkte. »Ich vermute, wenn Temples Freunde erst eingetroffen sind, werden Sie hinreichend anderweitig beschäftigt sein, und ich würde mir wünschen, dass die Damen bis dahin so viel wie möglich lernen.«
Diese Worte rissen Vivian jäh aus ihren eigenen Gedanken – und raubten ihr fast den Atem. »Temples Freunde?« Die einzigen Freunde, von denen sie wusste, waren die anderen Vampire, die Schattenritter.
»Ja.« Kimberly war sichtlich verwirrt. »Er sandte vor wenigen Tagen Telegramme an alle. Ich gehe davon aus, dass die ersten von ihnen Ende nächster Woche ankommen.«
Womit wenig Zeit blieb, überlegte Vivian, deren Herz vor Spannung und ein bisschen Angst pochte. Hatte er sie deshalb bisher unversehrt gelassen? Wartete er auf die anderen, bevor er entschied, was er mit ihr anstellen würde? Sollten seine Freunde sich vorher an ihr gütlich tun, bevor sie ihren Leichnam an Rupert zurücksandten, zerbissen und geschändet?
Oder hatten sie vielleicht vor, sie zu einer von ihnen zu machen, was noch schlimmer wäre?
Es war schwer vorstellbar, jedoch nicht so abwegig, dass sie diesen Gedanken vorschnell verwerfen durfte. Auf jeden Fall war es an der Zeit, nicht länger abzuwarten, sondern die Dinge in die Hand zu nehmen. Wenn Temples Brüder kamen, musste sie es Rupert wissen lassen. »Kimberly, könnten Sie ein Telegramm für mich aufgeben?«
»Ja, natürlich. Ich habe auch einige eigene zu versenden. Wäre es Ihnen möglich, Ihre Nachricht innerhalb der nächsten Stunde zu schreiben?«
»Gewiss.«
»Dann gebe ich es zusammen mit meinen auf. Wollen wir jetzt unseren Tee genießen? Sprechen wir unterdessen über Belangloses, wie beispielsweise darüber, wie gern ich Haar wie das Ihre hätte.«
Vivian lachte, obgleich sie in Gedanken bei dem Telegramm war, das sie Rupert an sein Postfach schicken würde. Sie musste ihn warnen, dass Temple Verstärkung herbeigerufen hatte, und das in dem Code, den nur sie beide kannten.
Anschließend musste sie sich überlegen, wie sie sich fünf zorniger Vampire erwehrte.
Kapitel 7
W arum hasst Rupert dich?«, fragte Vivian ihn.
Es war Abend und Temple und Vivian saßen bei einem späten Abendessen auf der Terrasse. Kimberly war beschäftigt und konnte ihnen deshalb keine Gesellschaft leisten, hatte aber versprochen, ihnen später Tee und Gebäck zu bringen. Vivian hatte sich höchst entzückt ob der Aussicht auf Kuchen und Kekse geäußert, obwohl sie sich den Bauch mit Brot, Käse und einer Auswahl kalter Fleischsorten füllte.
Temple strich mit einem Finger über den Rand seines Weinglases. Er hatte kaum von dem Essen gekostet, was Vivian überraschte. Sie wusste, dass er »richtiges« Essen zu sich nehmen konnte. »Ich weiß es nicht.«
»Hast du nicht einmal eine Ahnung?«, bohrte sie ungläubig weiter.
Er nahm ein Stück kalten Schinken von der Platte und steckte es sich in den Mund. Dann leckte er sich das Salz von den Fingern. Ihm fiel auf, dass Vivian ihn beobachtete und ihr wunderschöner Mund sich leicht öffnete.
Verdammt!
Diese seltsame Anziehung zwischen ihnen hatte seit der ersten Nacht nicht abgenommen. Auch nicht nach der zweiten. Stattdessen schien sie zu wachsen, ihre Krallen tiefer und tiefer zu graben, bis er sie in seinem Innersten fühlte.
»Keine Einzige«, gab er zurück und riss seinen Blick von ihrem Mund los. »Mich überrascht, dass du glaubst, ich würde die Antwort kennen.«
Vivian wandte stirnrunzelnd ihr Gesicht ab. »Er hat es mir nie gesagt. Eigentlich sprach er auch nie von
hassen
. Ich nahm bloß an, dass er dich hasst,
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