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Ewige Versuchung - 5

Ewige Versuchung - 5

Titel: Ewige Versuchung - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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entschied, sei es dumm oder klug, sie sollte sich für alle Eventualitäten wappnen, sprich: an ihren eigenen Kampffertigkeiten arbeiten, wenn sie allein war, und einen Fluchtweg für den Notfall suchen.
    »Ich bitte um Verzeihung, Miss.«
    Vivian ging durch die Halle, als die kleine Haushälterin sie rief. Die Arme war schrecklich außer Atem. Sie musste Vivian schon ein gutes Stück nachgelaufen sein, hatte jedoch Mühe, mit deren sehr viel größeren Schritten mitzuhalten.
    »Tut mir leid.« Vivian drehte sich um und ging der japsenden Frau entgegen. »Brauchen Sie mich für irgendetwas?«
    Die kleine Frau bekam kaum einen Ton heraus. »Ich … habe … eine … Nachricht … für … Sie«, stammelte sie und reichte Vivian ein gefaltetes Blatt Papier, das von ihrer Hand gewärmt war.
    »Von wem?«, fragte Vivian, als sie es annahm.
    »Ich weiß nicht, Miss. Ein junger Bursche brachte es in die Küche, kurz bevor Mr. Temple sein Telegramm erhielt.«
    Vivian erstarrte und ballte die Faust mit dem Zettel. »Haben Sie die Nachricht ihm gegenüber erwähnt?«
    Die Frau schien gekränkt. »Selbstverständlich nicht, Miss.«
    Vor Erleichterung wurde ihr beinahe schwindlig. »Das ist gut, danke. Und vielen Dank, dass Sie sie mir so schnell bringen!«
    Damit schien die Haushälterin wieder versöhnt. Sie lächelte, machte einen kleinen Knicks und eilte von dannen, um sich wieder ihrer Arbeit zu widmen. Vivian wartete, bis sie fort war, dann öffnete sie den Brief.
    Treffen Sie mich bei den Klippen am Wald. Ich habe Nachricht für Sie.
    Die Botschaft war nicht unterzeichnet, und die Handschrift kannte Vivian nicht, doch das tat nichts zur Sache. Sie wusste, von wem sie kam. Ihr mysteriöser Kontakt hatte Nachricht von Rupert.
    Sie sagte niemandem ein Wort. Als sie einfach aus der Tür ging, beachteten die anderen es kaum. Natürlich nicht. Die Insel lag vollkommen isoliert, und solange Ebbe herrschte, konnte sie nirgends hin. Nicht einmal Temple, der inzwischen wach sein und sein Telegramm lesen dürfte, würde sich Sorgen machen, dass sie draußen umherstreifte. Auf der Insel konnte er sie jederzeit finden.
    Seltsamerweise fand sie diese Erkenntnis weniger besorgniserregend als beruhigend.
    Es war ein schöner Tag. Die Sonne stand hoch am Himmel, und vom Meer wehte eine warme Brise herbei, die Gras und Blumen wie in einem Tanz wanken ließ, dessen Melodie nur sie allein hörten.
    Während sie ging, spürte Vivian, wie selbige Brise durch das dünne Leinen ihres Hemdes drang und ihr über die Haut strich. Die Sonne wärmte ihr Wangen und Kopf, so dass sie trotz aller Unsicherheit in ihrem Herzen ein gewisses Wohlgefühl empfand.
    Sie lief zu den Klippen, wo sie für eine Sekunde stehen blieb, um auf die Wellen zu blicken, die auf den Strand rollten. In einigem Abstand zum Klippenrand schritt sie weiter auf den Wald zu, der wenige hundert Meter entfernt lag.
    Dort stand ein junger Mann ein kleines Stück unter den Bäumen im Dickicht, wo man ihn von der Schule aus nicht sehen konnte. Genau genommen hätte Vivian ihn nicht einmal jetzt entdeckt, wären ihre Augen nicht ungleich besser als die anderer Menschen. Das war noch eine ihrer furchtbar abnormen Eigenheiten.
    Als sie näher kam, hob er seinen Kopf. Sie kannte ihn nicht, was sie nicht erstaunte. Sobald sie in Hörweite war, bedeutete er ihr mit Handzeichen, still zu sein und ihm tiefer in den Wald zu folgen. Vivian tat es, ohne zu zögern. Er war jung und nicht sehr groß. Sofern er keine Freunde oder eine Waffe dabeihatte, könnte sie ihn mühelos überwältigen, falls er sich als gefährlich entpuppte.
    Hier, wo die Bäume dichter standen, die Stämme von Jahren im Wind ein wenig geneigt, war die Luft kühler. Der Boden federte von Moos, und es roch nach Erde und moderndem Laub. Es war, als wäre das Meer verschwunden und bestünde die Welt nur noch aus sonnenfleckiger Dunkelheit und den Geräuschen der kleinen Waldkreaturen.
    Sie folgte dem Mann einige Meter, bevor er stehen blieb und sich zu ihr umdrehte. Selbst dann sprach er noch nicht, sondern streckte ihr stumm ein Telegramm hin. Sie nahm es. Als sie hinuntersah, erkannte sie, dass es tatsächlich von Rupert stammte. Der Code war unverkennbar.
    »Deponieren Sie Ihre Antwort und alle künftige Korrespondenz unter der Lilith-Statue im Garten«, instruierte der junge Mann sie in einem schweren irischen Dialekt. »Da ist ein lockerer Stein. Hinter dem finden Sie fortan auch alle Nachrichten an

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