Ewige Versuchung - 5
zurückkehren musste.
Er besuchte ein Kaffeehaus, wo er draußen saß und starken Kaffee trank. Dort gönnte er sich ein zuckriges Gebäck, das seinen Gaumen verwöhnte und seine Seele erfreute. Anschließend schlenderte er die Kopfsteinpflastergassen entlang. Er unterhielt sich mit Menschen, die ihm begegneten, blieb hier und da stehen, um Architektur, Kunst oder Blumenarrangements zu bewundern, die ihm ins Auge fielen. Zweimal unterbrach er seinen Spaziergang, um einen Hund zu streicheln, und einmal bückte er sich sogar nach einer schwarzen Katze, die er hinter den Ohren kraulte.
Als sein Magen wieder knurrte, kehrte er zum Mittagessen in eines der berühmten Beisln ein und stopfte sich mit ofenfrischem Brot und Fleisch voll, das auf der Zunge zerging. Sobald sein Hunger gestillt war, fand er ein hübsches Mädchen, in das er sich für eine Stunde verliebte.
Danach war es Zeit, in ihre Unterkunft zurückzugehen, weshalb er beschloss, sich des Mannes anzunehmen, der ihn verfolgte. Seinen zweiten Schatten hatte er bemerkt, kurz bevor er die Buchhandlung betrat. Offenbar hatte der Mann das Haus beobachtet.
Marcus ging sehr ruhig und natürlich, schlug jedoch nicht den Weg zu ihrer Unterkunft ein, sondern eine Route, die er am Abend zuvor entdeckt hatte und die in eine Gegend mit einer kleinen lärmigen Taverne sowie vielen dunklen Plätzen führte.
In einer dieser dunklen Ecken bog er in eine Gasse ein. Dort drückte er sich mit dem Rücken an eine kühle Steinmauer, zog ein Messer aus seinem Hosenbund und wartete.
Sein Verfolger blieb stehen und bewegte sich dann langsam, vorsichtig weiter.
Kein Anfänger,
dachte Marcus, dessen Herz schneller klopfte. Sechs Monate zuvor noch hatte er Gewalt gemieden und sich einzig mit Büchern beschäftigt. Heute stellte er fest, dass er beinahe so blutrünstig war wie seine Vampirgefährten – und er konnte nicht einmal ihre Begründungen dafür ins Feld führen.
Er wartete, bis der Mann einen Schritt an seinem Versteck vorbei war, bevor er ihn von hinten packte. Sein Arm legte sich
fest genug um den Hals des anderen, dass die Sauerstoffzufuhr unterbrochen wurde. Gleichzeitig richtete er seine Messerspitze
unterhalb eines massigen Armes auf den Brustkorb des Mannes, bereit, sie ihm zwischen die Rippen zu rammen.
»Ganz ruhig, Bursche!«, raunte er dem Fremden zu, der sich zu wehren versuchte. Eine fleischige Faust traf Marcus wie ein Sack Ziegelsteine am Oberschenkel, doch er hielt sich aufrecht und drückte dem Kerl nur fester die Gurgel zu.
»Was willst du?«, fragte er.
Der Mann holte erneut aus, ungelenker nun, weil er langsam ohnmächtig wurde.
Marcus schüttelte ihn kurz und piekte ihn mit dem Messer. Der Kerl zuckte, als er den kalte Stahl an seiner Haut fühlte. »Ich habe dich etwas gefragt!«
»Leck mich, Vampirliebhaber!«, ächzte der andere in einem deutlichen englischen Dialekt.
Diese Antwort genügte Marcus.
Wurstfinger zogen an seinem Arm, doch er ließ nicht los. Ihm traten Schweißperlen auf die Stirn, während er um Beherrschung rang.
Er könnte den Mann töten, der nach Zigarren, Wein und Knoblauch stank, aber jemand würde die Leiche finden, was Fragen aufwarf. Marcus durfte nicht riskieren, eine der möglichen Antworten darzustellen. Außerdem war er kein Mörder. Er könnte den Schurken in ihre Unterkunft mitnehmen, doch seine Gefährten waren ebenso wenig Mörder. Es war besser, wenn er sich darauf beschränkte, den Kerl für eine Weile ohnmächtig zu machen, auf dass er mit eingeklemmtem Schwanz zum Silberhandorden zurückkroch.
Der Schweiß lief ihm die Schläfen hinunter, bis die Gegenwehr des anderen nachließ. Schließlich fiel die große Hand von seinem Arm, während der noch viel massigere Körper daran nach unten sackte. Marcus stolperte zurück, ehe das Gewicht des Mannes ihn zu Boden drückte.
Keuchend ließ er seinen Angreifer in den Gossendreck fallen. Mit einem Ärmel wischte er sich die schweißbenetzte Stirn ab, ehe er auf ein Knie hinunterging, um die Taschen des anderen zu durchsuchen. Darin fand er ein bisschen Geld, Mull und einen Flachmann mit Merlot.
Die großen Hände des Kerls waren an den Fingerknöcheln vernarbt und zwei Finger der rechten Hand steif, als wären sie ihm früher einmal gebrochen worden – wie auch seine Nase. Er hatte außerdem Narben am Kinn und über einer Braue.
Ein professioneller Kämpfer. Marcus konnte sich glücklich schätzen, ihn überrascht zu haben, denn sonst hätte der Mann ihn
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