Ewige Versuchung - 5
vorgab, keine Ahnung zu haben, warum Rupert ihn hasste, andererseits aber
seinen Vampirfreunden Nachricht schickte, sie sollten zu ihm kommen? Das tat ein Mann, der eine Armee aufstellte, sonst keiner.
Und welche Rolle war ihr in alldem zugedacht?
»Vivian?«
Als sie aufschaute, bemerkte sie, dass Kimberly sie verwundert beobachtete. Sie sollte ihrer Gastgeberin wahrlich mehr Aufmerksamkeit schenken. Schließlich kannte diese Frau Temple schon seit langem. Somit konnte sie Vivian wertvolle Informationen liefern.
Informationen, die sie dann an Rupert schicken würde, wie es ihre Pflicht war. Wie kam es, dass sie sich fühlte, als plante sie einen Verrat? »Verzeih mir, Kimberly. Hast du etwas gesagt?«
»Ich fragte, ob du noch etwas Suppe möchtest.«
Ihre Schale war leer, und so abgelenkt sie auch war, gab es weniges, das Vivian jemals den Appetit raubte. »Ja, bitte.«
Lächelnd füllte Kimberly ihr noch von der kräftigenden, herrlich duftenden Brühe auf. »Entschuldige, dass ich deine Tagträume gestört habe.«
»Nein, nein, es war unhöflich von mir, meine Gedanken abschweifen zu lassen, wenn ich mich mit dir unterhalten kann. Erzähl mir, wie du dazu kamst, diese Schule zu leiten.«
»Ich habe die Academy vor Jahren eröffnet.« Kimberlys wache Augen funkelten. »Aber das interessiert dich nicht.«
»Nein?« Zugegebenermaßen war Vivian ein bisschen überrascht. Sie wollte durchaus etwas über die Schule wissen und warum Temple hier ein Versteck hatte.
»Nein. Du möchtest wissen, ob Temple und ich jemals ein Liebespaar waren.«
Vivian wurde rot. »Das geht mich nichts an.« Dennoch wollte sie es wissen – und auch nicht.
»Was dich nicht davon abhält, dir diese Frage zu stellen.« Die ältere Frau nippte an ihrem Wein. »Möchtest du wirklich etwas über meine Vergangenheit mit Temple erfahren?«
Was für ein Schmerz regte sich plötzlich in Vivians Herz? War sie eifersüchtig? »Ja.«
»Temple und ich begegneten uns im Zusammenhang mit meiner Mitgliedschaft im Lilith-Schwesternorden. Wir verehren die Göttin, deren Blut Temple und seine Freunde zu Vampiren machte. Temple kaufte dieses Anwesen vor vielen Jahren als sicheren Unterschlupf für sich und die anderen. Und er hatte die Idee, dass ich es nebenher für die Schwesternschaft nutzen könnte. So gründete ich die Garden Academy.«
Vivian steckte sich eine Olive in den Mund. »Mir scheint dies ein recht ungewöhnlicher Flecken für eine Schule.«
Kimberly lächelte. »Mag sein. Unsere Schule wurde zu dem Zweck gegründet, Mädchen dieselbe Ausbildung angedeihen zu lassen, die sonst nur Jungen zugänglich ist. Unsere Schülerinnen lernen neben Französisch und Deutsch auch Griechisch, klassische Philologie und Philosophie sowie Mathematik. Außerdem biete ich Kurse in Geschichte und Kunst an. Und wir lehren natürlich auch die üblichen Fertigkeiten, die eine junge Dame braucht.«
Vivians eigene Ausbildung hatte sich weitestgehend auf Letzteres beschränkt. Ihr war beigebracht worden, wie eine Dame sich verhalten sollte, und sie hatte gelernt, zu kämpfen. Die sehr gegensätzlichen Inhalte hatte sie indessen nie als Widerspruch empfunden, denn eine Dame zu sein schien ihr gänzlich unwichtig, verglichen mit der Fähigkeit zur Selbstverteidigung. Folglich hatte sie die albernen Dinge für Rupert gelernt, den Rest für sich.
»Eure Schülerinnen müssen recht liberal eingestellten Familien entstammen.« Sie mochte nicht viel von der Welt wissen, aber ihr war bekannt, dass die wenigsten Männer – wie auch die wenigsten Frauen – ihren Töchtern eine solche Ausbildung gestatteten.
»Ja, das tun sie. Und diejenigen, die unsere Einstellungen teilen, scheren sich nicht sonderlich um den Ort. Vielmehr verleiht uns die Abgeschiedenheit einen Hauch von Exklusivität, den unsere Klientel zu schätzen weiß.«
Vivian fragte sich, was für eine Klientel das war. Waren die Mädchen hier etwas ganz Besonderes für ihre Familien, oder wurden sie eher wie Ballast auf die Insel abgeschoben?
Das Schweigen wurde unangenehm, und Vivian fiel nichts ein, um es zu füllen. Sie mochte Kimberly und wollte nicht, dass deren Vergangenheit mit Temple ihre Sympathie beeinträchtigte. Schließlich hatte sie noch nie eine Freundin gehabt.
Einen Moment lang blickten die beiden Frauen einander stumm an. Verdammt, sie konnte das beenden!
»Liebst du ihn?«, fragte sie.
Kimberlys Gesichtsausdruck war die peinlich intime Frage wert.
»Nicht so, wie du
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