Ewigkeit
das Universum zu einem ehrenhaften und vollständigen Ende bringen, einem ästhetischen Abschluß. Aber ihre Hilfsmittel sind nicht unbeschränkt.
Ich bin mehr, als ich scheine. Ich bin aber auch viel weniger als jene, die mich hierhergesandt haben. Und ich muß dich von einer Sache überzeugen.
Ich habe den Weg als einen großen Bandwurm beschrieben, der sich durch die Innereien des Universums windet. Er erstreckt sich, wie du weißt, über die Grenzen unseres Universums hinaus. Das Universum kann nicht sterben mit einem so künstlichen und jungen Konstrukt in seinem Leib, oder vielmehr: es kann nicht gut sterben. Es kann nur schlimm sterben, und unsere Nachkommen können nicht alles ausführen, was sie erhoffen.
Lanier wischte die Projektion weg und richtete die Augen wieder scharf auf Mirsky. Ein bestimmtes Bild schwebte in seinem Geist, das ihn erschreckte. Er versuchte, sich deutlich daran zu erinnern, konnte aber lediglich einen vagen Eindruck bekommen von gewissen Galaxien, die im Laufe der Zeit als Opfer dienen sollten…
Galaxien, dazu bestimmt, die Energie dafür zu liefern, was immer der Endgültige Verstand zu tun suchte.
Er hatte pochende Kopfschmerzen und fühlte sich leicht übel, als ob er zu viel gegessen hätte. Stöhnend krümmte er sich zwischen seine Knie.
Korzenowski legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Ich teile Ihr Leid«, sagte der Ingenieur ruhig. »Sie müssen den Weg wieder öffnen und vom Ende her zerstören. Wenn nicht, so haben Sie unsere Kinder am Ende der Zeit betrogen. Der Weg ist für sie eine Art mächtigen Gewölls, ein Hindernis. Wir sind dafür verantwortlich.«
14. KAPITEL
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Gaia
Als Rhita am Abend ihres vierten Tages in Alexandreia nach sieben enttäuschenden Stunden, sich im Labyrinth der Gebäude zurechtzufinden, indem sie von Klassenzimmer zu Klassenzimmer lief, allein in ihrem Zimmer saß und wieder ein ungewohntes und leicht Übelkeit erregendes Mahl verdaute, das sie in dem kleinen, für Frauen reservierten Speisesaal verzehrt hatte, gestattete sie sich einen Moment größten Heimwehs und Jammers. Sie konnte nichts weiter tun als weinen. Nach nur einigen derartigen Minuten setzte sie sich auf der harten Liege auf und erwog mürrisch ihre Lage.
Von Kleopatra hatte sie noch keine Nachricht erhalten.
Sie hatte auch noch nicht den Mechanikos Demetrios getroffen, ihren zugewiesenen Lehrer. Bei einer seltenen Situation der Mitteilung nützlicher Information hatte Yallos Rhita gesagt, daß sie binnen etwa einer Woche mit ihrem Lehrer zusammentreffen würde; andernfalls könnte ihr Status im akademischen Wettbewerb verfallen. Sie fühlte sich verloren. Sie hatte mit dem Mann einen Termin gehabt seit der Woche ihrer Abreise von Rhodos. Als sie in seinem Büro, einem finsteren, alten und ungepflegten Haus im Westen des Bereichs des Mouseions, nachfragte, war ihr von einem verdrießlichen Assistenten mitgeteilt worden: »Er ist zu einer Konferenz nach Kreta gerufen worden. Er wird binnen eines Monats zurück sein.«
Noch schlimmer als die Mißachtung war ihr Gefühl von Verlust und Entfremdung. Niemand hier kannte sie. Niemand schien sich um sie zu kümmern. Die Frauen – mit der unglücklichen Ausnahme von Yallos, gegen die Rhita eine starke Abneigung entwickelt hatte – ignorierten oder mißachteten sie. Yallos hatte sich mit der Miene, als ob sie einem Einfaltspinsel zu Hilfe käme, zu Rhitas inoffizieller Beraterin aufgeschwungen.
Für die Frauen in dem verfallenen zweistöckigen Gebäude war sie ›ein Inselmädchen‹, ungebildet und bäurisch. Noch schlimmer war, daß sie aus einer angesehenen Familie stammte und dennoch seitens des Mouseions keine erkennbaren Privilegien genoß. Ihre soziale Stellung war also unklar. Sie war Freiwild für Mißachtung. In Hörweite wurde über sie geklatscht und wild spekuliert. Sie hatte Gerüchte flüstern gehört, wonach der Kelte ihr ›Insel-Liebhaber‹ wäre.
Das war ihrer Meinung nach wohl Neid.
Ihr war nicht möglich, das Mouseion zu verlassen und durch die Straßen Alexandreias zu gehen. Sie wußte recht gut, was einem unerfahrenen ›Inselmädchen‹ dort passieren konnte. Und mit dem plumpen, schweigsamen Kelten an ihrer Seite herumzuspazieren, war für sie gerade jetzt kein Vergnügen, obwohl sie im Laufe der Zeit wohl auf seine Begleitung würde zurückkommen müssen, nur um sich vom Mouseion wegzubegeben.
Sie hatte das Meer nicht mehr gesehen, seit sie die Kais am Großen Hafen verlassen
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