Ewigkeit
überspielen.
»Bringen Sie mir Erdbeeren mit? Dieses Zimmer könnte etwas Belebung vertragen.«
»Ich werde Erdbeeren mitbringen«, versprach er.
Greta führte ihn nach unten und hielt die ganze Zeit seinen Arm. »Das ist typisch für ihren Zustand«, sagte sie, als sie außer Hörweite waren. »Ihr Verstand ist unglaublich scharf, wenn es um die Weltpolitik geht, aber dann weiß sie nicht einmal, in welcher Jahreszeit wir uns befinden. Du kannst dich glücklich schätzen, dass sie dich wiedererkannt hat. Hoffen wir, dass sie sich nicht mehr erinnert, dich um Erdbeeren gebeten zu haben.«
»Irgendwie werde ich ihr welche besorgen.«
»Um diese Jahreszeit? Mach dir deswegen keine Mühe, Floyd. Höchstwahrscheinlich wird sie sich bei deinem nächsten Besuch an nichts mehr erinnern.«
Es mochte grausam klingen, was sie sagte, aber Floyd dachte, dass es nur deshalb war, weil sie Marguerite so sehr liebte.
Sie setzten sich wieder in die Küche. Eine Taube gurrte auf dem Fenstersims. Greta nahm ein Stück vertrocknetes Brot und warf es gegen das Glas. Erschrocken flüchtete der Vogel in einer Wolke aus grauen Federn.
»Vielleicht war es gar nicht derselbe junge Mann.« Offenbar konnte sie sich denken, was Floyd durch den Kopf ging. »Vielleicht liest du heutzutage keine Zeitung mehr, aber es werden ständig Menschen zusammengeschlagen.«
»Wir beide wissen, dass es derselbe war. Warum sollten wir es leugnen?«
»Darüber haben wir schon vergangene Nacht gesprochen. Wenn du versucht hättest, etwas zu unternehmen, hätte man dich aufgeschlitzt.«
»Mein altes Ich hätte es auf jeden Fall versucht.«
»Dein altes Ich hätte mehr Verstand gehabt.«
»Du willst mir nur mein schlechtes Gewissen ausreden.« Floyd blickte zur Decke hinauf und stellte sich das Schlafzimmer vor, das er soeben besucht hatte, die Ordnung der Möbel und die Stille des einzigen Bewohners. »Auch wenn sie die Jahreszeiten durcheinander bringt, weiß sie doch sehr genau, wie sich die Dinge entwickeln.«
»Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, wie sie befürchtet. Alle alten Menschen denken, dass es mit der Welt zu Ende geht. Das ist ihre Aufgabe.«
»Vielleicht haben sie Recht«, gab Floyd zurück.
Greta bückte sich und hob die Brotscheibe auf, die sie nach der Taube geworfen hatte. »Vielleicht. Und vielleicht ist auch das ein guter Grund, sich zu überlegen, Paris zu verlassen.«
»Geschickte Überleitung.«
»Ich vermute, du bist noch nicht dazu gekommen, über das nachzudenken, worüber wir geredet haben?«
»Ich habe es Custine gegenüber erwähnt«, sagte Floyd.
»Wie hat er es aufgenommen?«
»Recht gut. Genauso, wie er alles andere aufnimmt.«
»André ist ein guter Mann«, sagte Greta. »Zweifellos wird er mit dem Detektivbüro bestens über die Runden kommen.«
»Wahrscheinlich wird ihm in nur einem Jahr ganz Paris aus der Hand fressen.«
»Also, warum gibst du ihm nicht einfach die Chance?«
»Ich lebe seit zwanzig Jahren hier«, sagte Floyd. »Wenn ich jetzt gehe, muss ich mir dann eingestehen, dass die letzten zwanzig Jahre meines Lebens ein Fehler waren?«
»Nur wenn du es so sehen willst.«
»Ich weiß nicht, ob es eine andere Möglichkeit gibt.«
»Es ist nicht mehr dieselbe Stadt wie zum Zeitpunkt deiner Ankunft«, sagte Greta. »Vieles hat sich verändert, und nicht unbedingt zum Besseren. Es wäre kein Eingeständnis der Niederlage. Wie alt bist du jetzt, Floyd? Neununddreißig? Vierzig? Das ist noch kein Alter. Nicht, wenn du dich weigerst, es so zu sehen.«
»Hattest du schon eine Gelegenheit, dir die Dokumente in der Dose anzusehen?«
»Auch eine sehr geschickte Überleitung.« Sie sah ihn mit einem nachsichtigen Lächeln an. »Also gut. Wir reden später darüber. Ja, ich habe einen Blick in die Dose geworfen.«
»Kannst du mir irgendetwas dazu sagen?«
»Könnten wir uns anderswo darüber unterhalten?«, fragte Greta. »Hier habe ich das Gefühl zu ersticken. Sophie ist während des übrigen Vormittags hier. Ich könnte etwas frische Luft vertragen.«
Floyd griff nach seinem Filzhut. »Dann lass uns einen Spaziergang machen.«
Floyd fand einen Parkplatz an der Rue de Rivoli in der Nähe des Louvre. Der Regen hatte vorläufig aufgegeben, obwohl die Wolken am Horizont die tintige Konsistenz hatten, die auf ein Gewitter hindeutete. Aber am rechten Seine-Ufer war es durchaus angenehm. Die Sonne gab sich alle Mühe, das Pflaster zu trocknen und den Eiskremverkäufern zu diesem späten Zeitpunkt
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