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EwigLeid

EwigLeid

Titel: EwigLeid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virna Depaul
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nicht ungewöhnlich, dass sie ihre Arbeit bis in die Morgenstunden ausdehnte. Ich war beunruhigt, als sie heute Morgen nicht heimkam, dachte mir aber, ich lasse ihr noch ein paar Stunden Zeit. Kelly ist – war – ein Freigeist und ließ sich nicht gern anbinden.“
    „Sie sagen, sie hat gearbeitet. Aber ich habe sie gegen sieben Uhr abends in McGill’s Bar gesehen. Sie … hm …“ Jase rieb sich den Nacken, einen Moment lang schien ihm richtig unbehaglich zumute zu sein. Dann preschte er vor. „Sie deutete an, dass sie den Rest des Abends zur Verfügung stehen würde. Zugegeben, ich könnte die Signale falsch ausgelegt haben, aber sie hat mir außerdem eine Karte mit ihrer Telefonnummer gegeben.“
    Jases Tonfall klang ein wenig nach einer Rechtfertigung. Er wollte nicht unterstellen, dass Kelly, nur weil sie mit ihm geflirtet hatte, lockere moralische Grundsätze vertrat.
    Susan musterte Jase, schien ihm jedoch nichts übel zu nehmen. „Darf ich die Karte sehen, die sie Ihnen gegeben hat?“
    Interessante Frage, dachte Carrie, doch Jase wurde tatsächlich rot. „Ich habe sie nicht behalten. Bevor ich die Bar verließ, habe ich sie in den Müll geworfen. Doch ich habe einen Blick darauf geworfen. Sie war violett. Schlicht. Enthielt nur den Namen und die Telefonnummer, glaube ich.“
    Susan lächelte schwach.
    „Das finden Sie lustig?“
    „Nein. Das heißt … ja. Nicht lustig, aber … Kelly hat Ihnen die violette Kartegegeben, weil sie Sie mochte. Um Ihretwillen. Nicht, weil sie einen potenziellen Kunden in Ihnen gesehen hat.“
    Das wird immer interessanter, dachte Carrie.
    „Einen potenziellen Kunden?“ Jase hatte die Frage kaum ausgesprochen, als sein Gesicht bereits Verstehen verriet. „Heißt das, sie war eine …?“
    Er ließ das Wort absichtlich unausgesprochen in der Luft hängen, damit Susan seinen Satz beendete.
    „Eine Art Hostess“, vervollständigte Susan.
    „Verzeihen Sie, wenn Ihnen die Frage unverschämt erscheint, aber warum?“, fragte Carrie. „Kelly entspricht nicht dem Profil der meisten Sex-für-Geld-Professionellen, mit denen wir zu tun haben. Sie hat eine Collegeausbildung.“ Carrie wies auf ihre Umgebung. „Sie hatte eine hübsche Wohnung. Ein schönes Leben. Warum hat sie dann diesen Weg eingeschlagen?“
    Auf Carries sanfte, wenn auch offene Worte hin füllten Susans Augen sich wieder mit Tränen. Sie schniefte und putzte sich dann die Nase. „Offen gesagt, es ist die einfachste Art, schnell zu viel Geld zu kommen. Studentenkredite sind heutzutage lachhaft teuer. Sie hatte ihr eigenes Geld. Und außerdem wollte sie ihren jüngeren Schwestern den Collegebesuch ermöglichen. Die hatten allerdings überhaupt kein Interesse.“ Sie sah Jase mit einem kläglichen Lächeln an. „Wären Sie gestern Abend mit zu ihr nach Hause gegangen, könnte sie noch leben. Stattdessen hat sie sich mit einem anderen Job zufriedengegeben.“
    Jase schaute sie fragend an. „Wieso zufriedengegeben?“
    „Sie hat angerufen und mich informiert, dass sie in McGill’s Bar unverhofft einen Job angenommen hatte, nach ihren Worten aber eher einen Sozialfall als alles andere.“
    „Um welche Uhrzeit hat sie angerufen?“, fragte Carrie.
    „Ich … ich glaube, es war gegen neun. Ich kann das mithilfe der Rufnummernüberprüfung belegen.“
    „Gleich vielleicht. Ein Sozialfall? Das war das Wort, das sie verwendet hat?“
    „Ja.“
    „Und wissen Sie, was sie damit meinte?“
    „Nicht genau. Es hört sich bestimmt komisch an, wenn man doch weiß, wie Kelly ihr Geld verdient hat, aber sie war ziemlich wählerisch, was ihre Kunden betraf. Sie war nicht dumm. Und sie war vorsichtig. Und sie stellte Ansprüche. Erst vor Kurzem …“
    Susans Stimme brach, und sie begann wieder zu weinen.
    Carrie und Jase blickten einander an, sagten aber nichts. Susan fasste sich wieder.
    „Entschuldigen Sie“, sagte sie und wischte sich mit einem Papiertaschentuch die Augen.
    „Schon gut“, beruhigte Jase die junge Frau. „Wir wissen, dass die Situation extrem schwierig für Sie ist, und wir sind Ihnen dankbar dafür, dass Sie bereit sind, mit uns zu reden. In Fällen wie diesem ist die Zeit wirklich ein ganz bedeutender Faktor.“
    Susan nickte und holte tief Luft. „In letzter Zeit hatte ich den Verdacht, dass Kelly nicht mehr gar so wählerisch in Bezug auf ihre Klienten war. Was sie gestern Abend sagte, bestätigt das. Als sie von einem Sozialfall sprach, hieß das bei ihr, dass sie Geld brauchte. Sonst

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