Ewiglich die Hoffnung
Gesicht.
»Nik! Kannst du mich hören?«
Ich wollte sprechen, doch es kam bloß ein Gurgeln heraus.
»Sie hat’s getrunken«, hörte ich Max zu Cole sagen.
»Verdammt.«
Ich hustete wieder und versuchte, die Augen zu öffnen. Sie waren mit einem roten Film bedeckt, der alles, was ich sah, in ein dunkles Rot tauchte.
Dann war Coles Gesicht über meinem, die Augen weit aufgerissen vor Sorge. Mein Kopf lag auf seinem Schoß. »Du musst sie rauskicken, Max.« Seine Stimme klang gepresst. Widerwillig.
»Wieso ich?«, erwiderte Max.
»Weil ich es nicht kann.« Cole beugte sich tiefer und legte die Lippen an mein Ohr. »Nik, ich hab dir doch erklärt, dass die Zeit im Labyrinth genau wie in der Oberwelt vergeht und wir dich jede Nacht in die Oberwelt kicken würden. Weißt du noch?«
Ich nickte, konnte aber nicht sprechen.
»Wir werden das jetzt mit dir machen. Es ist zwar noch zu früh, nur, wenn du hierbleibst, ertrinkst du.«
Ich versuchte, den Mund zu öffnen, um ihm zu sagen, dass ich nicht mehr im See war und deshalb nicht ertrinken konnte, aber meine Stimmbänder waren verklebt. Mein Körper verhielt sich so, als wäre ich noch immer unter Wasser. Panik stieg in mir auf. Was, wenn es keine Rolle spielte, ob ich an Land war? Was, wenn ich nie wieder Luft holen konnte?
»Schon gut. Es geht dir gleich wieder besser, wenn du in der Oberwelt bist.«
»Bist du dir da sicher?«, sagte Max.
»Ja«, knurrte Cole. »Wenn du es sofort machst!« Dann waren seine Lippen wieder an meinem Ohr. »Denk dran, du musst schlafen, und morgen früh hol ich dich zurück.«
Er stellte mich mit Max’ Hilfe auf die Beine, und die nächsten Sekunden schienen wie in Zeitlupe zu vergehen. Max machte ein paar Schritte nach hinten und kam dann in vollem Lauf auf mich zu, holte mit einem Bein aus und trat mir so fest in den Bauch, dass es mich vom Boden hob. Meine Lunge wurde zusammengepresst, und ich hatte keine Luft mehr in mir, um zu schreien. Alles um mich herum verschwand.
Kein Licht. Rein gar nichts. Bis zu dem Moment, als ich mit der Wange auf etwas Hartes und Kaltes schlug.
»Mmpf.«
Schritte näherten sich meinem Kopf.
»Nikki?«
Ich öffnete die Augen. Das Gesicht eines Mannes starrte zu mir herunter. Ezra. Der Verkäufer im Minimarkt. »Ist das Blut? Wieso bist du voller Blut?«
Ich schloss wieder die Augen. Max hatte mich zurück in die Oberwelt gekickt.
Kapitel Neunzehn
JETZT
Die Oberwelt.
Ich taumelte auf die Straße, hörte Ezra, der hinter mir herrief, wer zum Teufel die »rote Schweinerei« auf den Fliesen sauber machen würde.
Die natürliche Sonne war noch hell, obwohl sie bald hinter dem Horizont versinken würde, und ich hob die Hand, um meine Augen abzuschirmen. Da sah ich, wie rot meine Hand war. Aber nicht nass. Das Blut, oder was immer es war, sah jetzt aus wie getrocknetes rotes Pulver. Und ich war von Kopf bis Fuß damit bedeckt.
Immerhin konnte ich wieder atmen.
Ich versuchte, mir das Zeug vom Arm zu wischen, doch es ging nicht. Passanten starrten mich an. Ich musste aussehen wie eine riesige Himbeere, die die Straße hinunterlief. Auch meine Kleidung war rot. Ich hielt noch immer den Ewig-Dein- Zettel in der Hand. Wie hatte ich vergessen können, was das war?
Ich suchte Schutz in einer Seitenstraße, wo ich mich gegen ein leer stehendes Backsteingebäude lehnte und versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Ich zählte an den Fingern ab, was ich wusste:
Ich war im Ewigseits gewesen.
Ein Streuner hatte sich von mir genährt, und zwei Kontaktbänder waren erschienen.
Ich war in einen See aus Blut gesprungen . Jetzt, da ich daran zurückdachte, konnte ich es kaum glauben.
Max hatte mir einen Tritt versetzt.
Ich war im Minimarkt gelandet .
Wieso hatte er mich getreten? Ich rieb mir die Stirn, versuchte, mich zu erinnern, was Max und Cole darüber gesagt hatten. Die Zeit im Labyrinth würde parallel zu der Zeit in der Oberwelt vergehen, und sie müssten mich zurückkicken, damit ich nachts schlafen konnte.
Ich sah auf die Schatten, die sich über den Boden erstreckten. Die Dämmerung hatte begonnen. Aber war ich nicht abends ins Ewigseits aufgebrochen?
Am Ende der kleinen Straße standen zwei Altpapiertonnen. Mit gesenktem Kopf ging ich hin und las die Daten von einigen der Zeitungen, die verstreut davor herumlagen. Die meisten waren auf Mittwoch datiert, doch dann sah ich zwei, drei, die neuer aussahen. Donnerstag. Ich war Mittwochnacht aufgebrochen, und jetzt war
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