Ewiglich die Hoffnung
fühlte mich noch immer schwer von dem Angriff. Jeder Schritt fühlte sich an, als würde ich durch Treibsand laufen.
Ich rang um Atem. Ich wusste, die anderen würden mich nicht schonen.
Im Laufen warf ich einen Blick auf meine beiden Kontaktbänder und fragte mich, ob ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Ich konnte spüren, dass wir uns irgendetwas näherten. Als wäre mein Kontaktband eine Art Gummi, das sich mit jedem Schritt mehr zusammenzog. Der Schmerz in meiner Brust jedoch war noch immer stark, und mir liefen unaufhörlich Tränen übers Gesicht. Hätte ich kein Ziel gehabt, hätte ich mich wahrscheinlich in die nächste Ecke gekauert und tagelang geheult.
Müde wurde ich allerdings nicht. Je länger wir unterwegs waren, desto mehr löste sich der lähmende Beton in meinen Adern auf. Meine Beine fühlten sich wieder so kräftig an wie beim Betreten des Labyrinths. Cole fiel immer mehr zurück, doch ich lief weiter, so schnell ich konnte.
»Langsamer, Nik!«, keuchte er.
»Aber ich bin ganz nah an etwas dran. Ich kann es fühlen.« Je schneller ich lief, desto erträglicher wurde der Schmerz in der Brust. Ich begriff, dass ich vielleicht dem Schmerz folgte.
»Warte! Nik!«, rief Cole. Ich hörte seine Schritte hinter mir, aber ich lief ihm davon. Was immer das für eine Macht war, die mich anlockte, sie war stark.
»Glaub mir! Es geht hier lang!«, rief ich ihm über die Schulter zu.
Ich rannte jetzt mit vollem Tempo. Cole rief Max zu, er solle mich einholen, vielleicht, weil er von den beiden die längeren Beine hatte, doch mein Vorsprung war zu groß. Nicht mal Jack hätte mich einholen können.
Jack .
Meine Füße wurden langsamer, aber nur für einen Moment, und ich schaute auf meine Hand. Ich umklammerte ein Stück Papier, wusste jedoch nicht, was das war, und wollte auch nicht darüber nachdenken, so kurz vor meinem Ziel. Ich bog noch einmal um eine Ecke, und dann weitete sich das Labyrinth, und ein großer, wunderschöner See lag vor mir.
Ich spürte so etwas wie eine Warnung in mir aufblitzen, einen Sekundenbruchteil, in dem ich wusste, dass alles an dem See mir förmlich zuschrie, Abstand zu halten, doch ehe ich die Botschaft an meine Füße weitergeben konnte, lief ich – rannte ich – auf das Wasser zu.
Kapitel Achtzehn
Ich hörte Cole meinen Namen rufen, doch ich verstand ihn nicht. Als ich nur noch ein paar Schritte vom Ufer entfernt war, sprang ich vom Boden ab und schwebte einen Moment lang über der Fläche des Sees, ehe ich nach unten fiel.
Als ich auf dem Wasser auftraf, waren meine Sinne gerade noch scharf genug, um zu bemerken, dass an dem See irgendetwas nicht stimmte. Aber es war zu spät. Ich war unter Wasser. Nur, dass es sich nicht wie Wasser anfühlte. Es fühlte sich dicker an.
Ich wollte die Augen öffnen, doch es war dunkel, und die Flüssigkeit klebte. Wo war die Oberfläche? Ich ruderte mit Armen und Beinen, wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Ich streckte die Beine, versuchte, den Grund mit den Füßen zu ertasten, aber der See schien unendlich tief zu sein.
Meine Lunge war kurz vor dem Bersten, und ich brauchte dringend Luft. Unwillkürlich öffnete ich den Mund, und die Flüssigkeit drang ein.
Es war kein Wasser. Dazu war es zu zäh. Zu sämig. Außerdem hatte es einen metallischen Geschmack.
Blut.
Blut.
Die Erkenntnis löste einen Würgereflex in mir aus, doch das bewirkte bloß, dass ich erneut nach Luft zu schnappen versuchte.
Panisch rang ich darum, mich aufzurichten, doch vergeblich. Das Blut gerann um meine Gliedmaßen. Es war, als wollte ich in einem Bottich Zement schwimmen. Je mehr ich darum kämpfte, an die Oberfläche zu gelangen, desto tiefer sank ich.
Also hielt ich still. Ich ließ zu, dass sich das Blut zwischen meine Finger und Zehen setzte. Ich sank weder, noch trieb ich nach oben, und so schlimm war das mit dem Blut dann auch nicht.
Ich vergaß, wie ich hierhergekommen war, und dann vergaß ich, wo ich war. Vielleicht war ich gar nicht mehr außerhalb meines Körpers. Vielleicht war ich in ihm drin und schwamm deshalb in Blut.
Ja. Das ergab Sinn.
Plötzlich packte mich irgendetwas um die Taille. Ich war zu erschöpft, um mich zu wehren, während das Etwas mich weiter in die Tiefe zog. Dahin, wo ich keinen Sauerstoff mehr brauchte. Ihn nie mehr brauchen würde.
In diesem Moment durchbrachen wir die Oberfläche des Sees. »Nik!«, schrie Cole.
Ich lag auf einem schlammigen Strand. Irgendwer schlug mir ins
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